Erstes Buch.
Behandlung der Säulenstämme, die weiche Formation der Basen, das drei-
theilige Gebälk, die Perlenschnürc an Kapitälen und Gesimsen, endlich die
Kapitäl-Voluten. Selbst die barbarische Anwendung letzterer, die nicht
liegend, sondern aufrecht stehend behandelt sind, erklärt sich daraus, dass
ein nicht eigentlich künstlerisch geartetes Volk in einer Periode beginnen-
der Ueppigkeit jene Motive entlehnte, um sie in eigenwilliger, durchaus
unconstructiver, aber phantastisch-pikanter Weise zu benutzen. Dies wurde
ermöglicht durch die leichte Beschaffenheit des Oberbaues, in dessen Holz-
construction wir eine den vorderasiatischen Völkern gemeinsame Eigen-
thümlichkeit zu erkennen haben. Es erinnert dieselbe, gleich dem von den
Schriftstellern berichteten Teppichverschluss der Wände, an Urzustände der
Cultur, an ein Nomadenleben in beweglichen Zelten, dessen Nachklänge
die Prachtarchitektur der Spätzeit, durch die Milde des Klimas begünstigt,
festhielt. Die Form der bekrönenden Gesimse scheint dagegen ein von
Aegypten übertragenes Motiv zu sein, welches man in einer dem heimischen
Gefühle zusagenden Weise umbildcte. Historische Bestätigung findet die
Ansicht von der Entlehnung fremder Formen sowohl durch die späte Dati-
rung der persischen Denkmäler, als auch durch das Zeugniss Herodots von
dem Charakter jenes Volkes , den er als einen für Fremdes besonders em-
pfänglichen darstellt.
Dagegen fehlt es auch nicht an besonderen persisch-nationalen Ele-
menten. Dahin rechnen wir die überaus grosse graziöse Schlankheit der
Säulen, das heiter Prächtige der weiten Terrassen, die Form des Einhorn-
kapitäls und im Allgemeinen die Art der Empfindung, in welcher die ent-
lehnten fremden Motive aufgefasst und umgewandelt wurden. Dass alle diese
Elemente nicht in consequenter, organischer Weise verbunden, dass auch in
constructiver Hinsicht kein einheitliches System errungen wurde, bildet
den Grundzug und zugleich die Schwäche dieses Styles. So brachten auch
in politischer Beziehung die Perser es nicht zu einer staatlichen Einheit.
Ihr Despotismus war ein Amalgam der verschiedensten Völker, die beim
Mangel eines centralisirenden, staatbildenden Gedankens nur lose verknüpft,
nicht zu einem Körper verschmolzen waren.