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Sechstes Buch.
Im Uebrigen ist hinzuzufügen. dass bis auf den heutigen Tag in Eng-
land an Palästen und anderen Profanbauten ein eben so schwerfälliger als
nüchterner und phantasieloser italienischer Renaissancestyl geübt wird,
während man für Kirchen und Schulen, sowie für Burgen, den heimischen
gothischen Styl nicht minder trocken handhabt. England ist das Land des
ruhigen Beharrens, der unerschütterten Tradition.
Niederlande. .111 den Niederlanden zeigen einige Bauwerke des 16. Jahrh. jene
germanische Renaissance in zierlich reicher Behandlung. So die 1538 voll-
endete, noch überwiegend gothische Kirche S. Jacques zu Lüttich,
und besonders die Börse zu Antwerpen vom J. 1531. Höchst schwer-
fällig ist dagegen der Styl am Hofe des Justizpalastes zu Lüttich.
Im 17. Jahrh tritt an dem von Jakob van Campen 1658) erbauten
Rathhause zu Amsterdamx) jene nüchterne Weise der gleichzeitigen
französischen Architektur hervor. Die Doppelreihen korinthischer Pilaster,
zwischen welchen die Fenster eines ganzen und eines halben Geschosses
eingerahmt sind, geben eine etwas monotone WVirkung, und der mit Bild-
werken ausgefüllte Mittelgiebel steht nicht recht in Uebereinstimmung mit
den nach nordischer Art beibehaltenen hohen Dächern. Dennoch gewährt
das Gebäude vermöge seiner stattlichen Verhältnisse und seiner vortreff-
lichen Raumdisposition den Eindruck gediegener Tüchtigkeit.
Deutschland hat nicht so früh wie die westlichen Länder sein Gebiet
den Einflüssen der Renaissance geöffnet. Erst um die Mitte des 16. Jahrh.
dringen dieselben allmählich ein, verbinden sich in mannichfacher Weise mit
den gothischen Formen und Grundgedanken, und bringen manche anmuthige
Werke dieser Mischgattung hervor. Sie erhält sich in höchst anziehender
Frische bis etwa gegen 1620. Von da bis zum Ausgang des 17. Jahrh.
scheint der dreissigjährige Krieg, dessen Verheerungen Deutschland auf
lange Zeit erschöpften und seine Culturentfaltung lähmten, alle bedeuten-
deren künstlerischen Unternehmungen erstickt zu haben. Sodann aber be-
ginnt gerade im Norden Deutschlands mit dem neu erstehenden preussischen
Staate eine hervorragende architektonische Thätigkeit, welche bis nach der
Mitte des 18. Jahrh. rüstig in Uebung bleibt und auch in den südlichen
Gegenden durch ähnliche Symptome eines beginnenden Auflebens begleitet
wird. Diese spätere Zeit. stand vorzugsweise unter dem Einfluss Berninfs;
doch wusste meistens deutscher Ernst die italienischen Uebertreibungen
zu mildern und manches Zeugniss männlich -kräftigen Geistes hervor-
zubringen.
Behpilüvjc I" Zu den frühesten Werken deutscher Renaissance gehört lder elegante
Bau des Belvedere auf dem Hradschin zu Prag in seinem unteren Ge-
schoss, unter Ferdinand I. aufgeführt. Höchst elegant und prachtvoll, ein
wahres Muster phantasiereichcr und edler Frührenaissance, ist der Otto-
Heinrichsbau 1m Heidelberger Schlosse (1556-1559). Der Reich-
thum der bildnerischen Ausstattung, die graciösen zweitheiligen Fenster,
deren Pfosten sogar mit Sculpturen bedeckt sind (yergl. Fig. 448), und
manche andere MOÜVS geben einen Anklang an die lombardische Bauweise,
wie wir sie an der Certosa zu Pavia fanden, Die einzelnen Geschosse sind
durch Friese vollständig getrennt, und zwischen je zwei Fenstern vertritt
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