Volltext: Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart ; mit 448 Holzschnitt-Ill.

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Sechstes Buch. 
in Grundriss und Aufbau die gothischen Principien festgehalten werden, 
dieser Gliederbau edoch mit einer antikisirenden Decoration bekleidet wird. 
Erinnern wir uns daran, wie einerseits schon in spätgothischer Zeit die 
 ])ec0ration nur äusserlich dem baulichen Organismus aufgeheftet wurde. 
andererseits das räumliche Verhältniss der nordischen spätgothischen Werke 
manches Verwandte mit der Richtung der Renaissancebailten hatte: so wird 
es doppelt erklarlich sein , wenn nun die antikisirenden Pilaster und Halb- 
säulen, die Gesimse mit ihren Eierstäben und Zahnschnitten die Bekleidung 
der Facaden bilden. Die Form der letzteren behält übrigens das schmale 
und schlanke Verliäiltniss, die hohen Giebel und steilen Dächer bei, und die 
römischen Gliederungen müssen sich in dieses Prokrustesbett hineinzwän- 
gen. Hierdurch und durch die geringe Stockwerkshöhe wurde eine ziemlich 
willkürliche Verkürzung der Pilaster und überhaupt manche eigenmächtige 
Umwandlung der Glieder herbeigeführt. Die Giebel bildete man oft mit 
Abtreppungen wie in gothischer Zeit und bekrönte diese dann statt der 
F ialen mit wunderlichen kegelförmigen Aufsätzen, Kugeln oder geschweiften 
Formen. Auch die Erker und ähnliche malerische Unregelmässigkeiten der 
mittelalterlichen Facadenbildung behielt man bei, bekleidete sie jedoch mit 
modernen Formen, mit Pilastern und antiken Gesimscn, liess sie auf At- 
lanten u. dgl. ruhen und schmückte sie mit reichen Sculpturen. Den Fen- 
stern gab man an Profangebäuden , wie auch schon in spatgothischer Zeit. 
geschehen war, rundbogigen, geraden oder flachbogigen Schluss, liess ihren 
i 'Wandungen jedoch die Einkehlungen des gothischen Styls, mit welchen 
sich bisweilen in naiver Weise ein zierlicher antiker Perlenstab verbindet. 
Merkwürdig wurden oft die grossen Kirchenfenster behandelt. Man liess 
ihnen die gothische Weite und Höhe, oft sogar den spitzbogigen Schluss, 
ja selbst die Theilung durch Stabwerk, bildete letzteres jedoch in dem 
Formengefühl der Renaissance aus, so dass eine äusserst phantastische, 
pikante Wirkung hervorgebracht wird. So sieht man z. B. die Pfosten bis- 
weilen als Karyatiden geformt oder pilaster- und säulenartig behandelt. 
Auch die Innenräume, besonders der Kirchen, wölbte man oft nach mittel- 
alterlichem Prinzip spitzbogig, gab dann aber in der Ausbildung der Träger, 
auch wohl des Rippenwerks, den antikisirenden Formen Raum. Ueber- 
haupt ergibt sich bei dieser germanischen Renaissance ein eigenthümlicher 
Zauber aus der harmlosen Vermischung gothischer Grundformen mit moder- 
nen Details, wobei denn freilich beide Elemente einander oft zu seltsamen 
Concessionen zwingen. 
Klassische Mit dem 17. J ahrh. verschwindet dieser Mischstyl an den Höfen und 
 den von denselben ausgehenden Bauten, und macht der damals in Italien 
herrschenden klassischen Bauweise mit allen ihren Consequenzen Platz. 
Fern V01? den Höfen, im Schooss der Städte , namentlich in Deutschland, 
wird indess jene germanische Renaissance noch festgehalten, obwohl in 
 ihren Formen eine grössere- Willkür, Ueberladung und Entartung, entspre- 
chend der SlIIIIGSWBiSS des Barockstyles, überhand nimmt. In der Anfüh- 
rung des Einzelnen dürfen wir uns hier auf kurze Andeutungen beschränken. 
Bauwerke in In Spanien finden wir zunächt eine höchst brillante Frührenais- 
 sance, die schon mit dem Ende des löfJahrh. anhebt. In ihren erstaun- 
Abbildungen 
Villa Anzil. Üebersicht der span. Renaiss. in Clwedrüs Gesch. 
d. Bank. 
.n Spanien.
	        
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