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Sechstes Buch.
die jetzige Dogana (Pal. ltlarcantonio Tiene). Ebendort ist die sogenannte
Basilica (das Stadthaus) sein Werk (Fig. 441), eine höchst grossartig
wirkende Doppelhalle (in zwei Geschossen) von offenen Bogenspannungen,
die auf gekuppelten Säulchen ruhen; dazwischen kräftige Pilaster zur Glie-
derung der Wiinde. _Auch das berühmte Teatro olinipico , eine Nach-
ahmung antiker Theater, ist nach seinen Plänen erbaut. Von seinen Villen
ist die unweit der Stadt gelegene Rotonda mit rundem Kuppelbau, den
vier ionische Portiken einschliessen, ausgezeichnet. Unter seinen Kir-
chenbauten , an deren Fagaden er den Gebrauch einer einzigen Säulenstel-
lung zur Regel erhob, ist S. Redentore zu Venedig (Fig.-1l42 u. 443)
der vorzüglichste. Endlich sind noch jene unvollendeten Pfeilerhallen des
Klosters der C arita daselbst zu erwähnen, deren edle, einfache Schönheit
Goethe in seiner nltalienischen Reisen zu so lebhafter Bewunderung hin-
gerissen hat.
Dritte Periode:
Barockstyl.
580
1800.
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cliu Was für den gothischen Styl die Gothik des fünfzehnten Jahrhunderts,
" das ist der Barockstyl für die Renaissance: die Epoche der Verwilderung.
der emancipirten Decoration. Der Inhalt, die Zwecke sind dieselben ge-
blieben; nur der Ausdruck ist ein anderer. rlffclwl Avzyelu ist der Vater
des Barockstyles. In seiner gewaltigen Subjectivität, welche die Fesseln
des Hergebrachten brach und an Stelle streng gesetzlicher Ordnung die
Berechtigung ihrer Willkür setzte, bereitete er jenen übertriebenen, schwül-
stigen Charakter, jenes willkürliche Leben der l)ecorati0n vor, das von
seinen jüngeren Nachfolgern in's Extrem ausgebeutet wurde.
ri- Hatten die zuletzt genannten Meister der vorigen Epoche , wenn auch
nicht ohne eine gewisse Nüchternheit der Empfindung, nach einer strengen,
lauteren Formenbehandlung, nach harmonischer Durchführung ihrer meist
grossartig gedachten Entwürfe gestrebt, so ent-äusserten sich die folgenden
Meister zunächst mit leichtem Sinn dieser Richtung. An die Stelle der
Einfachheit trat die Uebertreibung, die strengere Compositionsweise wich
einer durchaus willkürlichen, auf malerisch reichen Effect berechneten,
und wenn dadurch das Nüchterne vermieden wurde, so fiel die Architektur
dafür um so mehr in den Charakter pomphaiter Prahlerei, hinter welcher
sich die innere Leere der Empfindung vergeblich zu verbergen sucht. Der
Sinn für mächtige Verhältnisse, tüchtige Dispositionen der Räume und
Flächen bleibt auch jetzt bei den besseren Meistern auf einer anerkennens-
werthen Höhe, aber die decorativen Mittel, mit welchen sich dieselben aus-
zusprechen haben, werden in übertriebener Weise gehäuft. Die Säulen;
schon in der vorigen Epoche als stützende Glieder verschmäht und mehr in
decorativer Art Verwendet, kommen jetzt fast nur noch als Prunk- und
Schaustücke in der Facadenbekleidung und an anderen Stellen vor. Halb-
säulen und Pilaster werden ihnen oft beigegeben, und das GeSimS erhält
entsprechende Verkröpfungen. Alles plastische Ornament wird dadurch zu
einer vorher nie gekannten Derbheit der Profilirung gezwungen, und die
freien Reliefs namentlich erhalten eine ausserordentlich starke Ausladung.
eschinhtlic
Stellung.