Zweites Kapitel.
Renaissance in Italien.
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Bekrönung bildete eine Laterne, die Gliederung des Tambours wurde durch
Pilasterstellungen bewirkt. Aehnlich decorirte man die übrigen Flächen
des Aeusseren, manchmal in einfach-edler, doch lebendiger Weise. Wo
indess der innere Raum und die durch ihn bedingte Gestalt des Aufbaues
in unlöslichen Conilict mit den antiken Decorationsmitteln trat, das war
die Fac ade. Um sie bedeutsam , ihrem Wesen entsprechend zu gliedern,
hatte man nur Pilaster- oder Säulenstellungen zu verwenden. Manchmal
brachte man diese in zwei Geschossen über einander an, in einiger Ueber-
einstimmung mit dem zweistöckigen Inneren. Allerdings wusste man den
Uebergang vom unteren zu dem schmaleren oberen Geschoss meistens
nicht anders zu bewirken, als durch jenes willkürliche Glied mächtiger,
volutenartig geschwungener Mauerstücke, die ein unschönes Decorations-
werk sind. Häufig aber setzte man eine in's Kolossale ausgedehnte Säulen-
stellung vor die Fagade, mit deren Dimensionen die kleinen Fenster und
Portale Pygmäen, die sich ängstlich zwischen Riesenleibern zusammen-
drücken unverkennbar in Missverhältniss stehen. Auf das vorgekröpfte
Gebälk der Säulenordnung wird sodann eine Attika gestellt. In grellem
Widerspruch mit dem erstrebten monumentalen Charakter befinden sich
endlich auch die Fenster. Man bildet sie nach Analogie der Profanbauten
meist viereckig, mit einem antikisirenden Rahmenproül, oft von einem drei-
eckigen oder runden Giebel bekrönt, der dann wohl auf Pilastern oder
Säulen ruht. Selbst wenn man, was selten geschieht, ihnen einen Bogen-
schluss gibt, fehlt diese Einfassung nicht. Diese Gestalt ist aber offenbar
zu sehr auf die kleinen Dimensionen und geringeren Stockwerkshöhen der I
Privatarchitektur berechnet, um nicht an mächtigen monumentalen Bauten
in hohem Grade kleinlich zu wirken. Es war dies der Punkt, wo die antike
Architektur die Baumeister im Stich liess und ihre Unzulänglichkeit für
die kirchliche Baukunst offen declarirte.
Innerhalb dieser Epocheder Hochrenaissance lässt sich etwa seit 1540 Uniäixderung-
eine Umwandlung des Baugeistes bemerken, welche mit allmählichen Ueber- Sa" 1540"
gängen zu dem späteren Barockstyl hinleitet. Dasselbe Bestreben nach
strenger Reinheit der Formen herrscht auch jetzt noch, nur ist ein etwas
kühlerer Hauch von Reflexion und Berechnung in die Zeit gekommen.
Man traut nicht mehr dem Vermögen, bei mässiger Decoration durch Ver-
hältnisse und Disposition allein zu wirken; man sucht vielmehr den Aus-
druck, den man beabsichtigt, durch schärferes Betonen des Einzelnen zu
erreichen; die Halbsäule und mit ihr ein viel kräftiger vortretendes Detail
verdrängt den früher vorherrschenden Pilaster, und besonders die Innen-
räume werden mit Decoration auf's Reichste bekleidet. Doch ist die Wir-
kung minder warm und begeisternd als in der früheren Zeit, und das Detail
gibt bei aller Reinheit und Strenge einen gewissen erkältenden Eindruck.
Den Reigen führt in dieser Zeit nicht mehr die florentinische, sondern lliillllscllß
die römische Schule, die unter der Herrschaft kunstliebender Päpste bchlllc"
an grossartigen Aufgaben aller Art sich auf den Gipfel dessen schwang,
was die moderne Architektur hervorzubringen fähig war, und deren Wirken
durch die gleichzeitige höchste Biüthe der Malerei unter Raphael und Michel
Angelo begleitet und gehoben wurde. j
An der Spitze der Meister dieser Epoche steht der grosse Bramantc ljfalnlmltv.
(Donato Lazzari) aus Urbino, geboren im Todesjahre Brwtcllescds, 144-1,