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Sechstes Buch.
fängt man an, ein oder mehrere Halbgeschosse (Mezzanine) anzuordnen.
die aber nicht weiter künstlerisch ausgebildet, sondern vielmehr möglichst
unbemerkt gleichsam eingeschaltet werden. Erst die spätere Zeit verirrte
sich dahin, zwei vollständige Geschosse zwischen grosse Pilasterordnungen
einzuklemmen. Im Inneren entfaltet sich dagegen eine eben so reiche als
phantasievolle Decoration, die Hand in Hand mit den grossen Malern und
Bildhauern der Zeit manchmal Werke höchsten künstlerischen Ranges her-
vorbringt. Die Stockwerke gestalten sich, selbst an Privathäusern, hoch,
die Zimmer geräumig und hell, die Treppen besonders stattlich, mit schö-
nen Durchsichten, die Höfe endlich mit mehrfachen säulengetragenen offenen
Hallen, bei denen man mit den verschiedenen Säulenordnungen zu wechseln
liebt.
Für den Kirchenbau hatte das Streben nach Grossräumigkeit die
Folge , dass der Basilikenbau mit" Säulenreihen verlassen wurde. An seine
Stelle trat der massenhafte Gewölbebau der Römer , aber nicht das Kreuz-
gewölbe, sondern Tonnen und Kuppeln auf schweren, breiten Pfeilern, die
man mit Pilastern decorirte und mit einem vollständigen antiken Gebälk
krönte. Die Schiffe bestehen in der Regel aus einer Reihe solcher Pfeiler-
Stellungen, die ein kassettirtes Tonnengewölbe tragen. Ohne Zweifel ist
dies sowohl in technischer als ästhetischer Beziehung ein bedauerlicher
Rückschritt, der den Beweis liefert, dass die kirchlichen Bauten die schwache
Seite des Styles bilden, wie die Kirchlichkeit die schwache Seite der Zeit
war. In technischer Beziehung hatten schon die Kreuzgewölbe der Römer,
hatte in genialster Weise das entwickelte Kreuzgewölbe des gothischen
Styls auf leichten, schlanken Stützen so Hohes geleistet, dass das eine
ungeheure Wucht von Widerlagern erfordernde, massiv gemauerte Tonnen-
gewölbe einen argen Rückschritt zum Beschränkten, Befangenen bildet.
Die freie Durchsicht war gehemmt, die Schiffe kamen selbst bei kolossalen
Dimensionen über ein schweres, gedrücktes Aussehen nicht hinweg, die
Decoration der Flächen und der massenhaften Pfeiler verstärkte diesen
Ausdruck noch, und die Beleuchtung des Oberschiffes, die nur spärlich
und in hässlicher Weise durch kleine Fenster in Stichkappen herbeigeführt
werden konnte, vollendete die ungünstige Wirkung des Ganzen. Die Kup-
pel auf der Kreuzung kann man nicht als neue Erfindung dieser Zeit be-
trachten; nur ihre kolossale, imposante Ausbildung ist eine Errungenschaft
der Renaissance, deren Bedeutung wahrlich nicht gering anzuschlagen, aber
doch etwas theuer erkauft ist. Für den Grundplan endlich gestattete
man dem Baumeister, da man es einmal mit der mittelalterlichen Tradition
ziemlich leicht nahm, grosse Freiheit. Er konnte sich entweder an die
Form eines Langhauses mit Querschiff, oder des griechischen Kreuzes mit
gleich langen Schenkeln, oder eines polygonen Baues anschliessen. Immer
jedoch blieb die Kuppel ein Haupterforderniss. Man bildete sie indess
nicht mehr nach mittelalterlicher XVeise polygon, sondern nach römischem
Muster und Brunellescds Vorgange wieder rund, und zwar meistens über hoch
aufsteigendem Tambour, der mit Pilastern verziert, von Fenstern durch-
brochen und mit einem Gesims gekrönt wurde. Für das Aeussere
brachte man nach antikem und byzantinischem Vorbilde das runde Profil
der Wölbung wieder zur Geltung, jedoch bedeutend schlanker, mindestens
in Gestalt einer Halbkugel, gewöhnlich in elliptischer Ansteigung. Die