Zweites Kapitel.
Renaissance in Italien.
zurück; so knüpft sie auch namentlich an die kühnen technischen Leistun-
gen der vorigen Epoche an. Für die antike Behandlung der Gliederung
kam es ihr zu Statten, dass auch der gothische Stylhier die tief ausge-
kehlten , scharf zugespitzten Profile schon abgestreift oder doch gemildert
hatte, so dass in dieser Hinsicht kein zu grosser Sprung zu machen war.
Bei imposanter, oft äusserst schlichter Gesammthaltung verfällt sie sodann
bisweilen, durch einen gewissen phantastischen Zug getrieben, in ein über-
reiches Anwenden von Decoration, so dass ein bunter, aber durch Wärme
der Phantasie anziehender Eindruck hervorgebracht wird. Mit einem Worte:
es ist noch kein bestimmter Canon festgestellt, die Erfindung hat noch
ziemlich weiten Spielraum, und dieses rührige Suchen verleiht den Werken
dieser Epoche einen eigenthümlichen Reiz der Frische und Unmittelbarkeit.
Dazu kommt, dass in der guten Zeit der italienischen Renaissance niemals
ein Mörtelverputz sich als täuschender Quaderbau geben will, dass vielmehr
das Material in seinem wahren Wesen gezeigt und nach seinen Eigenthüm-
lichkeiten behandelt wird. Der Quaderbau ist oft, namentlich an den Erd-
geschossen, den Ecken und Fenstereinfassungen, mit jenen breiten, tief
eingeschnittenen Fugen zwischen den einzelnen Werkstücken (Bossagen)
ausgeführt, was einen besonders tüchtigen, derben Eindruck macht. Daher
der Name Bustika (bäuerliche Ordnung). Die Technik ist durchweg streng
und gediegen. Diese Eigenschaften entsprechen getreu dem Charakter der
Zeit, der sich mitten in menschlich freier Empfindung noch in den Schran-
ken schöner Mässigung zu halten weise. Noch hat die Auflösung des mit-
telalterlichen Lebens nicht alle Kreise ätzend durchdrungen, die äusseren
Bande und Formen stehen überall in andauernder Geltung und lassen selbst
den Regungen des neuen Geistes , die sich zu voller Consequenz noch nicht
entfaltet haben, freien Spielraum.
Der erste Begründer der modernen Baukunst ist der berühmte Floren- Brunellesco.
tiner Filippo Brunellesco (1377 bis 1444). Nach eifrigem Studium der
antiken Baureste entschied er sich mit klarem Blick für die Wiederaufnahme
der römischen Formen, denen er durch die Gewalt seines hohen Geistes
die Herrschaft sicherte. Jene Versammlung von Baumeistern aller Natio-
nen, welche im J. 1420 hehufs der Vollendung des Doms zu Florenz, Domkuppel
namentlich wegen Ausführung der Kuppel, dorthin zusammenberufen 7'"
worden war , sah die Geburtsstunde des neuen Styles. Es galt ein Werk
zu errichten, das an Kühnheit bisher seines Gleichen nicht hatte. Brunel-
lesco wies die Ausführbarkeit seines Planes nach und fand die Beistimmung
der Republik. Seine Kuppel, die erste, welche mit einer doppelten Wöl-
bung, einer inneren und einer äusseren (Schutzkuppel), und Obendrein Ohne
Lehrgerüste aufgeführt wurde, erhebt sich bei einem Durchmesser von
130 Fuss zu einer Scheitelhöhe von 280, und mit der Laterne bis zu
330 Fuss. Obwohl ihre Wirkung durch die spätere Bemalung, statt deren
Brunellesco Mosaiken beabsichtigt hatte, gegchwächt wird, Obwohl die
äussere Decoration so wie die aufgesetzte Laterne erst nach des Meisters
Tode durch Giuliano du Zllqjano im J. 1461 ausgeführt worden ist, darf
man das Verdienst Brunellescds dabei nicht gering anschlagen. Es beruht
hauptsächlich auf der Anlage und Durchführung eines hohen Tambours,
der durch Rundfenster sein Licht empfängt, und über welchem die schlanke
Kuppel in elliptischer Schwingung aufsteigt. Allerdings sind die antiken