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Fünftes Buch.
durch einen vor beiden Geschossen sich hinziehenden Laubengang ausge-
zeichnet sind. Die frei durchbrochenen Giebel, welche die einzelnen Ab-
theilungen des oberen Ganges krönen, haben ein Masswerk von eleganter
Durchbildung. Mit stattlichem, auf einem pfeilergetragenen Lauben-
gange ruhenden Giebel ist das ebenfalls aus dem 14. Jahrh. stammende
Rathhaus zu Münster geschmückt. Derselben Zeit gehören das Alt-
städter Rathhaus zu Prag und das grossartige Rathhaus zu Bre slau mit
reich entwickeltem Erkerbau an. Ein Beispiel üppig decorativer Behand-
lung bietet der Rathhausthurm zu Köln, von 1407 bis 1414 errichtet,
während der Gürz enich, das alte Kaufhaus daselbst, von 1441 bis 1474
ausgeführt, mehr durch schlichte, strenge Massenhaftigkeit imponirt.
Stattliche Privathäuser findet man in Nürnberg, Münster, Lerngo
und an anderen Orten noch vielfach zerstreut. Unter den Schlossbauten
zeichnet sich durch Grossartigkeit der Anlage die Alb r e ch t s b u r g zu
Meissen, von 1471 bis 1483 erbaut, vor allen ähnlichen deutschen Ge-
bäuden aus. Leider bietet dies trelfliche Denkmal, gegenwärtig als Por-
zellanfabrik benutzt, den Anblick traurigen Verfalls und unwürdiger Ent-
stellung. Ausserdem ist wegen ihrer bedeutenden Anlage und theilweise
reichen Ausstattung die von Kaiser Karl IV. gegründete Burg Karl st e in
in Böhmen hervorzuheben, einsam in öder Gebirgsgegend auf steilem Felsen
sich erhebend.
Bucksteinbau. In den Ländern des Backsteinbaues haben sich ebenfalls manche be-
deutende Denkmäler dieser Art erhalten. Von der reichen decorativexl
Weise, in welcher die spätere Zeit vermittelst verschiedenfarbiger, glasirter
Ziegel solche Bauwerke auszuführen liebte, haben wir unter Fig. 331 ein
prächtiges Beispiel an einem XVohnhause zu Greifswald gegeben i). Einen
stattlichen Giebel hat auch das Rathhaus zu Tangermünde aufzuweisen.
Grossartige Rathhäuser in Backsteinbau findet man sodann zu B re m e n.
wo die Facade in späterer Zeit durch brillante Rococodecoration umgeändert
worden ist; zu Lübeck , zu S targard, besonders reich, mit Schmuck-
giebeln verschwenderisch ausgestattet zu Hannoverz) , leider zum Theil
schon durch einen Neubau verdrängt. Von einfacherer Behandlung des
Aeusseren gibt der Artushof zu Danzig ein charakteristisches Zeug-
niss. Hier sind die Innenräume durch prachtvolle, auf schlanken Granit-
säulen ruhende Fächergewölbe eben so anmuthig als würdig gestaltet.
Schloss zu Die Krone unter den Schöpfungen. dieses Styls gebührt edoch dem Schloss
Marienbullg- zu Marienburgß), einem der herrlichsten Profanbauwerke des ganzen
Mittelalters. Es galt hier, in dem Sitz des Hochmeisters die ganze geist-
liche Bedeutung, die weltliche Macht, den ritterlichen Glanz des Ordens
zur entsprechenden architektonischen Erscheinung zu bringen. Das ist in
vollendeter Weise geschehen. Gewaltig ragen gegen die breit vorbeifluthende
Nogat hin, an der man noch die Reste einer ehemaligen Brückenbefestigung
i) Dieses und andere derartige Bauten in Kallenbachii Chronologie der deutsch-mittelalterlichen
Baukunst. F01- Münühe" 1344i eine!" im Chronologischen zwar nicht fehlerfreien, aber durch Reich-
hnltigkeit des Materials für dle SameAdeauch-mittelalterliche Architektur wichtigen Sammlung.
2) Ueber dieses so WIE andere iuteregsante Profanbauten Hannovers finden sich Zeichnungen in
dem gediegenen W'erl-;e von Jlhtlznf: Archiv für Niedersachsens Kunstgeschichte.
3) VgL das Prachtn-erl; von Frwlir: Schloss Marienburg in Preussezi , aufgenommen von Gilly.
F01. Berlin 1803. Die Baugeschichte. 1st mit gexvolmtem Scharfsinn erörtert von F. v. Quast in den
Beiträgen zur Geschichte der Baukunst m Preussen (abgedr. aus den N. Preuss. Prov.-B1ättern Bd.