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Erstes Buch.
Schutthügel, so umfangreich, dass man für den ersten Augenblick sie für
Werke der Natur halten möchte, erheben sich noch jetzt als die Reste der
hervorragendsten Gebäude. Dieser Zustand von Zerstörung ist durch die
Beschaffenheit des verwendeten Materiales bedingt. Denn da das Land,
weithin ein alluvialer Schlammboden, keinerlei Gestein bietet, so waren die
Babylonier gezwungen, ihre Bauten mit Ziegeln aufzuführen, die entweder
an der glühenden Sonne jenes Erdstrichs gedörrt, oder im Ofen gebrannt
wurden. Diese sind nun zum Theil verwittert, zumTheil durch Brand zerstört
und verglast. Auch wuschen die gewaltigen Regengüsse, Welche die Winter-
zeit jener Gegenden begleiten, tiefe Rinnen und Schluchten in die bereits
zerstörte Oberfläche, die Winde überwehten sie mit dem Sande der Wüste,
und endlich holten die Araber Steine von dort hinweg zur Erbauung ihrer
YVohnungen. So gewähren die kolossalen, fast formlosen Schutthügel den
Eindruck eines erhabenen Grauens, das oft durch den wirklichen Schrecken
der in den Klüften lauernden Räuber oder in den Höhlen hausender wilder
Thiere verstärkt wird. Als der englische Reisende Ker Porler die Ruinen
besuchte, sah er auf dem Gipfel eines der höchsten Hügel zwei majestätische
Löwen, die auf der Höhe der Pyramide in der Sonne auf und ab wandelten.
Es war dies der vom Volke Birs-i-Nimrud, d. i. Thurm des Nimrod,
i genannte Hügel, den man seiner Lage und Beschaffenheit nach mit ziemlicher
Gewissheit als den Tempel des Belus ansieht. Er erscheint als ein massi-
ver, aus ungebrannten Backsteinen erbauter und vermuthlich mit Erde oder
Schutt ausgefüllter Thurm, der in mehreren über einander zurücktretenden
Absätzen errichtet und mit gebrannten und mit Inschriften versehenen
Backsteinen bekleidet war, zwischen denen eine sehr dünne Lage von
Kalkmörtel oder Asphalt und Mattengefiecht sich befand. Man will vier
Stockwerke deutlich erkannt haben. Der untere Umfang des ungeheuren
lrümmerhaufens misst 2286 und seine Höhe beträgt 235 Fuss, also unge-
fähr die Hälfte des ganzen Thurmes, dessen Höhe von den Alten auf etwa
600 Fuss in acht Stockwerken angegeben wird. Ein anderer Trümmerberg,
Sllulschelibo. Mudschelibe genannt, scheint auf seinem Gipfel mehrere Gebäude ge-
tragen und auf den vier Ecken Thürme gehabt zu haben. Er ist von ähn-
licher Bauart, seine Seiten sind genau orientirt, und sein Umfang beträgt
an der Basis 21 l 1 Fuss. Von den übrigen Hügeln ist noch der sogenannte
111 Kasr. E1 Kasr (d. h. Palast) zu erwähnen, in dem man den neuen Palast des
Nebukadnezar zu erkennen glaubt.
Anlage dur- Bei all diesen mächtigen Bauten bleiben wir über die Anlage und Bew
5011"" handlung des Innern im Dunkeln. Von architektonisch ausgeprägten For-
men ist Nichts bemerkt worden. Ein kolossaler, aus grobem grauen Granit
gehauener Löwe, vielleicht ein Thorwäc-hter, wurde gefunden. Von den
Thoren berichten übrigens die alten Schriftsteller, dass ihre Thürflügel so-
wohl wie die Pfosten aus Erz geformt waren. YVichtig ist die Bemerkung,
dass die gefundenen Backsteine sämmtlich den Namen Nebukadnezafs
tragen, ein Beweis, dass die Ueberreste nicht von der ältesten Stadt,
sondern von den Bauten jenes grossen Königs, der um 600 v. Chr. regierte,
herrühren.
Ruinen von Bedeutendere Aufschlüsse haben wir durch die Ausgrabungen erhalten,
mmvcl" welche Botta und in IIBLIGStGY Zeit Layarzl in den Gegenden gemacht haben,
M udschelibv
151 Kasr.
Anlage dur-
selben.