Drittes Kapitel.
Gofhischer Styl.
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regelmässiges Octagon von 58 Fuss Durchmesser; zu York bei 63 Fuss
Weite 68 Fuss hoch , und zwar ohne Mittelsäule. Abweichend ist das
Kapitelhaus zu Lichfield, das eine inls Längliche gezogene achteckige
Gestalt hat; Zehnecke findet man endlich zu Worcester mit 46 Fuss
Durchmesser und zu Lincoln, 62Fuss weit, mit YViderlagern, die durch
Strebebögen noch verstärkt sind.
Als besonders charakteristisch ist noch anzuführen, dass die englischen
Kathedralen, da sie zugleich Klosterkirchen waren, im grossartigsten Maass-
stabe sich mit einem Complex anderer Baulichkeiten umgaben, mit denen
vereint sie wie eine Stadt in der Stadt sich darstellen. Auch die Anlagen
der grossen gelehrten Schulen und wissenschaftlichen Stiftungen, der soge-
nannten Colleges , sind oft mit- grossem Aufwand durchgeführt. Bei
ihnen wie bei den Kapitelhäusern und selbst im Hauptschiff der Kirchen
wird oft als Decke ein reich verzierter hölz erner D ach s tuhl angewendet,
dessen Formen abermals das grosse Decorationstalent der englischen Schule
erkennen lassen. Endlich tritt namentlich der spätgothische Styl an zahl-
reichen und mächtigen B urgen stattlich und imposant auf.
Die skandinavischen Länderi"), deren Steinbau wir schon in
romanischer Zeit abhängig von fremden Einflüssen fanden, gehorchen auch
in gothischer Epoche äusseren Einwirkungen. Der Dom zu Up s ala, seit
1287 durch den französischen Baumeister Etienvze de Bonneuil erbaut, hat
einen Chorschluss mit Kapellenkranz gleich denfBauten Nordfrankreichs.
Der Dom zu Drontheim , das prachtvollste , leider jetzt grossentheils
zerstörte Denkmal dieser Länder, erinnert seinem Grundplan; seiner Form-
bildung, seiner Ornamentik nach so entschieden an die englisch-gothischen
Kathedralen, dass nicht allein eine Einwirkung von dorther zweifellos statt-
gefunden hat, sondern höchst wahrscheinlich selbst die technische Arbeit,
die als meisterhaft gerühmt wird, von englischen Werkleuten ausgeführt
worden ist. Das Octagon seines Chors ist vonwundersam phantastischem
Eindruck.
c. In Deutschland.
Klöster und
Colleges.
Skandinavi-
sche Bau-
werke.
Auch hierher gelangte der gothische Styl zuerst offenbar durch Ueber-
tragung, wenngleich der früheste Zeitpunkt einer solchen etwa um vierzig
Jahre später eintrat als in England. Dass man von diesem Verhälmiss ein
klares Bewusstsein hatte, geht aus einer merkwürdigen alten Nachricht
hervor, welche erzählt, dass im J. 1263 die Stiftskirche zu WVimpfen im
Thale durch einen aus Paris berufenen Baumeister in französischem, d. h.
gothischem Styl (vopere jianczzqenoa) erbaut worden Sei. Aber Selbst ohne
diese Nachricht spricht der Grundplan des Kölner Doms in seiner durch-
gängigen nahen Verwandtschaft mit dem des achtundzwanzig Jahre früher
begonnenen Doms zu Amiens allein die Thatsache überzeugend aus. Wenn
aber die Einführung des Styls in Deutschland eine späte war, gegen die
sich sogar in der Folgezeit noch auf manchen Yunkten der altheimische
romanische Styl in Kraft erhielt (wenn auch nicht ohne mancherlei Einzel-
heiten unwillkürlich aufzunehmen) , so erreichte derselbe dafür gerade hier
seine consequenteste Entwicklung und Durchbi1dung_
Einführung
des gnth.
Styles.
Vgl. das Werk von A.
v. Minutoli über den Dom zu Drontheim etc.