Volltext: Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart ; mit 448 Holzschnitt-Ill.

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Fünftes Buch. 
Perioden. 
plastischer Ausschmückung ausgebeutet wird. Doch darf nicht vergessen 
werden, dass auch in der mannichfaltigen Combination der grossen Haupt- 
formen, besonders in der vielfach variirenden Gestalt der Facade wie in den 
verschiedenen Thurmbildungen und Gruppirungen derselbe freie malerische 
Sinn sich glänzend bekundet, der überhaupt die englische Architektur cha- 
rakterisirt, und dass dadurch eine Lebendigkeit, "eine individuelle Mannich- 
faltigkeit in der Configuration der ganzen Bauwerke hervorgerufen wird, 
welche ihren besonderen pittoresken Reiz hat. 
Auch in England scheidet man die Geschichte des gothischen Styles 
in drei Hauptperioden. Während das n early Englishu im Laufe des 
13. Jahrh. sich erhält, wird das 14. J ahrh. durch den sogenannten vdeco- 
rated stylea bezeichnet, der mit dem Beginn des 15. sich in den tperpen- 
dicular stylea verwandelt. Der vdecorated styleu (vgl. die Facade der Kathe- 
drale von York Fig. 365) tritt mit grösserem Reichthum der Einzelformen 
auf, die er bis in's Kleinste ausbildet, ohne jedoch sich zu der organischen 
Schönheit der deutschen Gothik zu erheben. Die Decoration ist vielmehr 
äusserlich aufgelegt, statt in lebensvoller Weise sich aus dem Körper des 
Baues zu entwickeln; doch zeigt sie grössere plastis che Bedeutsamkeit, 
als die der früheren Epoche. Sodann tritt an die Stelle des Lanzetbogens 
ein breiterer Spitzbogen, der jedoch in den Fensterkrönungen und den 
Triforien keineswegs zu schöneren Formbildungen Anlass gibt. Noch ent- 
schiedener bei noch mehr gesteigertem Reichthum offenbart die letzte 
Epoche, der vperpendicular stylen, den nüchternen, frostigen Grundcharak- 
ter der englisch-gothischen Architektur. Seinen Namen trägt er nur von 
dem Fenstermasswerk, das wie ein Gitter in parallelen Stäben roh bis in 
die Bogenumfassung aufsteigt (vgl. Fig. 361) und manche andere Formen 
in unorganischer Weise zwischen sich einschliesst. So sind auch sämmt- 
liche Flächen mit einem unendlich nüchternen Stabwerk über und über 
bedeckt, welches sich keineswegs einem innerlich ausgesprochenen Verti- 
calismus anschliesst, sondern mit dem überaus einseitig ausgeprägten Hori- 
Fiv w! zontalismus in scharfen Gegensatz 
51  i"  b tritt. An den Portalen und Fenster- 
XXFKR Schlüssen zeigt sich der auch inTrank- 
K K7  reich und Deutschland auftretende 
f  geschweifte Kielbogen, der sogenannte 
 f nEselsrückenu (Fig. 362a), und seit 
"N l  1450 der gedrückte, eingezogene, in 
i,   England heimische n Tudorbogen u 
  (Fig. 3626). Der letztere in seiner 
   flachen, breiten, beinah horizontalen 
J Form prägt recht eigentlich den pro- 
 fanen Charakter des englisch-gotbi- 
Esclsriiclien. Tlldorbogen. sehen Styles aus und ist daher beson- 
ders an Burgen und anderen welt- 
lichen Gebäuden lange in Anwendung geblieben. Im Inneren entwickelt- 
sich an den Gewölben ein reiches, phantastisches Leben, theils durch Ver- 
mehrung und netzförmige Kreuzung der Rippen wie in anderen Ländern, 
theils durch das hier entstandene fächerförmige Gewölbe, welches mit sei- 
nen unzähligen Rippen sich in seltsamer Bewegung auf und nieder schwingt
	        
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