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Fünftes Buch.
Kirchen
zu Rouen.
prachtvoll entfaltet sich dieser Styl an der Kathedrale von Rouen, deren
Chor, vdn 1212 bis 1280 erbaut, in strengster frühgothischer YVeise be-
handelt ist, während die erst im 16. J ahrh. vollendete Faeade brillant und
überladen erscheint. Eine andere Kirche zu Rouen, S. Ouen, seit.
Fig. 341.
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Oneu zu Rauen.
1318 erbaut, mit elegantem, dreischifligem Langhause (s. den Grundriss
Fig. 347), zeigt ebenfalls einen freieren Styl. Als höchst merkwürdiger
Kathednvon Nachzügler spätester Zeit ist die Kathedrale von Orleans zu nennen, die
mleam" in der Epoche moderner Kunst von 1601 bis 1790 ganz im gothischen
Kathedralenstyl erbaut, harmonisch und reich, wenn auch in den Details
nicht ohne nüchternen Anflug, als einer der seltsamsten architektonischen
Anachronismen dasteht.
Flnmboyant- Die spätere Zeit der gothischen Architektur in Frankreich, namentlich
SQL seit dem Beginn des 15. J ahrh., bringt jene reiche und willkürliche Deco'-
rationsweise hervor. welche die Franzosen als Flamb oyantstyl bezeich-
nenÄ Der Ausdruck ist zunächst von dem Fenstermasswerk hergeleitet,
dessen Figuren aus ilammenförmigen Mustern (den sogenannten Fisch-
blasen) zusammengesetzt sind. Auch sonst erscheinen die Formen vielfach
phantastisch umgestaltet, geschweifte Kielbögen werden besonders an den
Portalen häufig angewendet, und die Flächen mit brillanter Decoration in
ähnlich willkürlichen Formen überkleidet. Auch an den Gewölben kommen,
in Verbindung mit dem complicirten Rippensystem der netz- und stern-
förmigen Compositionen, mancherlei Masswerkmuster vor. Ausserdem wird
ein keckes, pikantes Spiel mit den wichtigsten Elementen der Structur-
getrieben, indem man die Rippen an dem einen Endpunkte von einer frei-
schwebenden Console aufsteigen lässt. wie es sammt den übrigen Formen
dieser Zeit die beigefügte innere Ansicht aus der Kathedrale von Alby
(Fig. 348i Zeigt. In glänzendstem Reichthum treten alle diese phantastisch
1', spielenden Motive an dem unter Fig. 349 aufgenommenen Lettner der
S. Madeleine zu Troyes vom J. 1506 auf, wo zugleich die reiche
Zackenbesetzung der Bögen ebenfalls als Merkmal dieser Epoche Beachtung
" verdient.
Südfranzös. Im südlichen Frankreich erfährt die gothische Architektur mancherlei
Mo""me"tc' Umgestaltungen. Sie wird massenhafter behandelt, die Verhältnisse sind
minder aufstrebend, die horizontalen Linien vorwiegend, Die Strebepfeiler
sind schlicht. derb, oft abgerundet, meistens ohne Fialenbekrönung, die
Dächer nach der Bauweise des Südens flach ansteigend, die Facaden einfach