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Fünftes Buch.
stande des Studiums macht. In späterer Zeit, etwa seit dem Beginn des
14. Jahrh., zeigt die französische Gothik eben so wie die Denkmäler der
übrigen Länder den fertig ausgeprägtenStyl, wie er oben geschildert wurde;
doch ist zu bemerken, dass auch jetzt häufig die äusserste Consequenz
nicht erstrebt wird; dass das horizontale Element nicht so entschieden
zurückgedrängt ist wie an den edelsten deutschen Denkmälern; dass na-
mentlich die Facade (vgl. Fig. 342 auf S. 420) durch ein grosses Rosen-
fenster und statuengeschmückte Galerien den Horizontalismus aufrecht
hält. Auch die Thürme schwingen sich selten zu der kühnen Durchbrechung
des Helms auf, die wir in Deutschland mehrfach finden werden; sie haben
entweder eine schlanke Steinspitze, oder sind auch, ohne achteckiges Ober-
geschoss, mit einer horizontalen Galerie geschlossen.
Nordfranzüs. Die constructiven Grundgedanken des Systems wurden zuerst von den
Denkmälel" nordfranzösischen Baumeistern so ausschliesslich festgehalten, dass die De-
tailbildung oft noch ganz romanisch ist, während die Construction bereits
das neue Gesetzkund gibt. Ja in den ersten gothischen Bauten ist selbst
der halbkreisförmige Chorschluss mit seinem Umgang und radianten Halb-
kreisnischen, ganz wie ihn die romanische Epoche in Frankreich ausgebildet
hatte, völlig beibehalten. So zeigt es sich in dem frühesten, entschieden
gothisch ausgeführten Bauwerke Frankreichs, dem vom Abt Suger gleich
s. Denis. nach 1 140 bereits erbauten Chor der berühmten Abteikirche S. D eni s bei
Paris, der Grabstätte der französischen Könige seit der Merowingerzeit.
Ijlier tritt zum ersten Mal an Arkaden, Gewölben und Fenstern der Spitz-
bogen ausschliesslich auf, doch hat der Chor noch die reiche romanische
Form, einen Umgang mit sieben halbkreisförmigen Kapellen. An der Facade
dagegen, die 1140 beendet wurde, wechseln noch Spitzbogen und Rund-
bogen, wie denn auch die ganze Conception derselben genau mit dem im
nördlichen Frankreich ausgebildeten
nä- 333- romanischen Facadentypus überein-
Q stimmt. Ungefähr aus derselben
1' ijtißi" Epoche folgt nun eine Gruppe von
{X nf-ie-j. K, j, Kirchen, welche 111 derselben Anlage
3 "d" " des Grundplans, in'der gleichen
"X H f? Ausbildung der Construction mit
n jener ersten zusammenbringen, nur
ß dass sie an den Fenstern meistens
noch den Rundbogen zeigen. Dahin
Kathednvon v, 3173117 gehört zunächst die Kathedrale von
Nvsvn- 7x M V ÄI Noyon, nach einem Brande vom
Xi] J. 1131 erneuert, im Grundriss mit
l i. "p" ll der bemerkenswerthen, an die gros-
sen rheinischen Kirchen des roma-
nischen Styles erinnernden Gestal-
-3. _L_ '_'iit tung der Kreuzarmeiiin hillbkreis-
Kathedrale mxowh förmigem Schluss (Fig. 3333). Das
Langhaus hat die. dieser Gruppe
gemeinsame, ebenfalls noch auf älterer Tradition beruhende Anlage voll-
ständiger Emporen über den Seitenschiffen, welche sich (vgl. Fig. 334) mit
Säulenarkaden gegen den Mittelraum öffnen; darüber aber zieht sich noch