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Fünftes Buch
Bemalung der architektonischen Glieder erscheint im gothischen Styl etwas
zurückgedrängt, da hier das XVesen derselben durch ihre plastische Form
bereits klar ausgesprochen war. Aehnlich verhielt es sich ja auch in der
Antike, wo der ionische Styl, jemehr er die Glieder plastisch durchbildete,
der farbigen Ausschmückung sich entzog. Oft liess man die Pfeiler in der
natürlichen Beschaffenheit ihres Steinmaterials nackt stehen. Nur an den
Kapitälen scheint man eine Vergoldung des Blattwerks auf rothem Grunde
geliebt zu haben. Die Gewölbkappen wurden verputzt und entweder mit
goldenen Sternen auf blauem Grund, oder auch mit figürlichen Darstellungen
geschmückt. Jedenfalls sah man darauf, dass das Innere auch in der Be-
malung eine harmonische Gesammtwirkung hervorbrachte.
DasAeusscre. Bei der Betrachtung des Aeusseren treten zunächst und am meisten
Strebepfeilcr. die Strebepfeiler hervor. Auf ihnen beruht vorzüglich der selbständige,
von anderen Bausystemen abweichende Eindruck des gothischen Styles.
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in Einzelglieder auf.
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Fenster durchbro-
Fig. 320. Dom zu Halberstadt. Querdurchschnitt. chen istv Sokbegldrfte
es nur eines rä tigen
Widerlagers gegen die einzelnen Stützen (vgl. Fig. 320). Mit den übrigen
Mauerflächen sind die Strebepfeiler durch den gemeinsamen Sockel und das
unter den Fenstern sich hinziehende Gesims verbunden. Ausserdem aber
haben sie noch mehrere , an der Vorderseite durch untergeordnete Gesimsß
bezeichnete Absätze, mit welchen sie sich nach oben verjüngen. 1716888
Abnehmen an Masse, dem Princip organischen Aufwachsens entsprechend,
wird durch die statischen Gesetze bedingt, welche die ganze Wucht des
sich anstemmenden Gegengewichts nach unten verlegen, WähTend an den
oberen Theilen eine minder kräftige Bildung ausreicht. Mit diesen Strebe-
pfeilern sind aber nur die Seitenschiife geschützt; es galt, auch den frei
emporragenden Mittelbau zu sichern. Wohl führte man, dies zu bewirken,