Erstes Buch.
sainkeit zurückzuziehen und in den Höhlen des Gebirges zu wohnen, so
begann man bald, letztere künstlich zu erweitern und auszubilden. So ent-
standen die Grottenbauten, welche noch mehr als jene XVerke die Be-
wunderung in Anspruch nehmen. Nicht minder ahmten die Brahmanen den
Buddhisten die Anlage grossartiger Tempel und Klöster nach, die eben-
falls entweder als Freibauten, oder als Felsgrotten behandelt wurden, so
dass eine Zeit lang beide Religionsseeten in Errichtung solcher Denkmale
wetteifcrten.
Chronologie. Die glänzendste Bethätigung dieses Bautriebes fällt erst in die christ-
liche Zeitrechnung, etwa in die Epoche von 500 1000 n. Chr. Späterhin
trat eine Entartung zu immer grösserer Phantastik ein, bis die mohameda-
nische Eroberung das selbständige Culturleben des indischen Volkes vollends
zerstörte. Wie lange aber auch die indische Kunst ihr selbständiges Dasein
geführt hat, zu einer Entwicklung im höheren Sinne gelangte dasselbe
lllzrugel an niemals. Derselbe Mangel des historischen Sinnes, der das Volk gleichgültig
gegen seine Geschichte machte und bei bereits hochgesteigerter Cultur selbst
die Geschichtsschreibung nicht aufkommen liess, tritt auch in den Kunst-
werken der Inder hervor. Wohl erkennt der Forscher Unterschiede nach
den Epochen, sofern eine reichere, rnannichfaltigere Formbehandlung auch
hier auf eine schliehtere Bauübung folgt; wohl machen sich Variationen in
den einzelnen Theilen des grossen Gebietes, in Süd- und Nord-Indien, in
Thibet und Kaschmir, in Ceylon und Java, geltend; wohl sind die Bauten
der Buddhisten von denen der Brahmanen, und beide wieder, nach Fer-
yztst-mfs Forschungen , von denen der J aina's , einer besonderen Secte, zu
sondern: allein in all diesen Schattirungen ist kein Keim zu einer inneren
Entwicklung zu entdecken; es sind und bleiben Strömungen eines mehr
von der Phantasie, als vom klaren Verstande geleiteten Gestaltungstriebes.
Wir betrachten nunmehr die indischen Monumente nach ihren ver-
schiedenen Arten
2. Freibauten.
Siegessiillleli Die ältesten, bis jetzt bekannten Werke indischer Kunst sind in einer
Anzahl von Säulen entdeckt worden, welche König Aeoka. um 250 v. Chr.
als 'l'riu1nphzeichen des siegreichen Buddhismus errichten liess. Solche
Säulen hat man zu Delhi, Allahabad, Bakhra, Mathiah, Rudhiu
und B h i tari, sämmtlieh in der Nähe des Ganges dicht beisammenliegend,
gefunden. Sie sind von gleicher Grösse, etwas über 40' hoch, an der Basis
über 10', .am Kapitäl über 6'im Umfange, aus einem röthlichen Sandsteine
gefertigt (Fig. 1 a). Bestimmung, Form und Ausschmüekung waren bei
allen dieselben. Der Hals, unmittelbar unter dem Kapitäl, zeigt ein Band von
Palmetten und Lotosblumen, mit dem Stamme durch eine Perlschnur ver-
knüpft (Fig. 2), Formen, die in auffallender Weise an persische und assy-
rische Vorbilder erinnern; Das Kapitäl besteht aus einem umgekehrten
Freibauten.
Literatur: L. Langlös. Monuments anfzicns et modernes de PHindoustan. 2 Voll. Paris 1821.
A. Ounninghanz. The Bhilsa TOPCS, 01' Buddlust monuments of Cnntral lndia. London 185.1. J. Fer-
yzm-son. Handbook of architecture. V01. 1. London 1855. und zahlreiche Abhandlungen in den Schriften
der asiatischen gelehrten Gesellschaften.