Volltext: Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart ; mit 448 Holzschnitt-Ill.

Erstes Kapitel. 
Indische Baukunst. 
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Fessel jede freiere Entfaltung des Volksgeistes hemmte, konnte der Sinn 
für ein geschichtliches Dasein sich nicht regen. Trotz einer hochalterthünr- 
liehen Cultur, trotz frühzeitiger Ausbildung und ausgedehnten GClJTRUChCS 
der Buchstabenschrift kam dies merkavilrdige Volk weder zu eigentlich 
historischen Aufzeichnungen, noch überhaupt in höherem Sinne zu einer 
Geschichte. Ein traumhaft-phantastischcs Sagengewcbe umschlingt bis 111 
späte Zeit das Dasein des Volkes, das unter dem Drucke seiner Priester 
und Despoten willenlos fortvegctirte. 
Erst mit dem Auftreten Buddhafs wird der indische Volksgeist zu einer Buddhismus. 
höheren Bethatigung seiner Existenz ziuiigcweckt. Das wüst-phantastische 
Religionssystem des Brahmaismus wird gestürzt, der ganze Götterhlmmcl 
der Hindu zerstört, und eine neue Lehre auf der Grundlage einer re1n 
menschlichen Moral aufgebaut. Nach dem Tode des Stifters (um 540 v. Chr.) 
erfahrt zwar der Buddhismus manche Zusätze, Trübungen seiner ursprüng- 
lichen Reinheit, Einflüsse der polytheistischen Vorstellungen des Brahmais- 
nius: allein er gewinnt dafür an Ausdehnung, besonders seit der König 
Aculizr (um 251) v. Chr.) Buddhzfs Lehre annimmt und mit Eifer ihre Ver- 
breitung über die indischen Lande befördert. Aber auch auf die Gestaltung 
des Brahmaismus übte der neue Glaube entscheidenden Einfluss, indem er 
ihn zu einer schärferen, klareren Ausprägung seines Systemes zwang. 
Mit dem Zeitpunkte, wo durch den König Acoka der Buddhismus zur 
Herrschaft kam, beginnt auch, wie es scheint, die monumentale Bauthätig- [lauts- 
keit Indiens. Die frühesten auf uns gekommenen Werke wenigstens (latiren 
aus dieser Epoche. Doch lassen sie, im Verein mit den Nachrichten über 
die anderweitigen baulichen Unternehmungen, welche jener König in's 
Leben gerufen hat, eine schon entwickelte Technik und eine festbegründete 
künstlerische Tradition voraussetzen. Auch wird von einem verfallenen 
Tempel des Indra berichtet, der durch Acoka wieder hergestellt sei w) Fügen 
wir dazu die Schilderungen der alten Epen Mahabharata und Ramayana, 
welche von ausgedehnten Stiidteanlagen mit prachtvollen Palästen und Tem- 
peln, von einem vollständigen Strassen- und Brückenbaue jener älteren 
Zeit erzählen, so dürfen wir nicht zweifeln, dass in den noch vorhandenen 
Denkmälern die Fortsetzung und Blüthc einer alterthümlichen Kunstthütig- 
keit zu erkennen sei, die durch die neue Religionsform nur neue Ziele und 
eine veränderte Richtung und Gestalt erhalten hat. 
Während nun die gefeierten Residenzen der Brahmancnfürsten durch Verschiedene 
die Zerstörungslust der späteren mohamedanischen Eroberer vom Erdboden  
vertilgt worden sind, hat sich in allen 'l'heilen des ungeheuren indischen 
Ländcrgebietes eine grossc Anzahl von Qhltbauten erhalten, die unter sich 
eine grosse Mannichfaltigkeit zeigen. Zum Theil sind sie buddhistischen, 
zum Theil brahmanischen Ursprungs, jene durch grössere Einfachheit und 
Strenge, diese durch reiche Phantastik der Decoration kenntlich. Der 
Buddhismus rief vornehmlich zweierlei Gebäudeanlagen hervor: die S t up afs  
(nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch: Top e's) als heilige Reliquien- 
behülter , und die Viharzfs, ausgedehnte Bauten für die Wohnungen der 
Pricstelg Da es nun religiöse Satzung bei den buddhistischen Priestern und 
Mönchen war, sich zu Gebet und frommen Betrachtungen oft in die Ein- 
i) Lassen. 
Indische Altcrthumskunde I1, 270.
	        
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