Zweites Kapitel.
Romanischer Styl.
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deckte, und dem übrig "bleibenden Raum ebenfalls ein gesondertes Gewölbe
"gab, brachte man einen innigeren Zusammenhang in diese Theile. Im Allge-
meinen ist jedoch festzuhalten, dass der romanische Spitzbogen in statischer
Hinsicht sich vom Rundbogen kaum unterscheidet, da er keine bedeutende
Steigung und oft einen so unmerklich erhöhten Scheitel hat, dass man ihn
sehr leicht mit dem Rundbogen verwechselt. Wenn man aber auch die
Quergurte nicht erheblich erhöhte, so kam es dagegen immer mehr in
Gebrauch, die Scheitel der Kreuzgewölbe sehr hoch hinqifzuziehen, so
dass die Durchschnitte durch die Mitte des Gewölbes nicht mehr eine gerade,
sondern eine gekrümmte Linie ergeben (vgl. Fig. 192). Die Construction
der Gewölbe blieb aber meistentheils dieselbe schwerfällig lastende, bei
welcher die ganzen Kappen aus_ mächtigen" Bruchsteinen höchst massiv
ausgeführt wurden. In manchen Gegenden jedoch, wo man ein leichteres
Material, z. B. den porösen Tuffstein, besass, mauerte man, wahrscheinlich
durch das Vorbild des gothischen Styles angeregt, die Gewölbkappen aus
diesem Material möglichst leicht, und liess sie nicht allein an den Quer-
gurten, sondern auch an kräftigen, von Hausteinen sorgfältig zusammen-
gesetzten Kreuzrippen (Diagonalrippen) eine Stütze finden. Man bildete
inder Regel solche Rippen in der Form von einfachen oder gedoppelten
Rundstäben. Diese Einrichtung wirkte, wie es scheint, sofort auf andere
Bauwerke zurück, so dass man selbst da , wo die Kappen nach wie vor in
schwerster Masse aufgeführt wurden, solche Kreuzrippen ihnen verlegte.
deren Steine in die Wölbung ein wenig eingebunden wurden. Hier sank
also die constructive Bedeutung des neuen Gliedes zur bloss decorativen
herab und zog dann auch eine weitere-spielende Ausbildung nach sich.
Man brachte nämlich tellerförmige grosse Schilder mit Sculpturschmuck an
den Rundstäben in gewissen Abständen an und liess die Rippen selbst in
einem oft als reiche Rosette gestalteten S c hl u s s s_t ein e zusammentreffen.
Aber man ging noch weiter. Die beschriebene Ausbildung des Gewölbes
hatte unmittelbar eine weitere "Entwicklung des Pfeilers zur Folge gehabt,
Hatte die doppelte Bestimmung als Arkadenträger
Fig. 191. und Gewölbstütze schon vorher ihm eine Kreuzgestalt
gegeben, so bereicherte man dieselbe dadurch, dass
man in die Ecken schlanke Säulchen ordnete (F. 191),
welche, nur leicht an seinen Kern gelegt , ebenfalls
keine wesentlich tragende Kraft hatten, gleichwohl
aber als scheinbare Stützen der Kreuzrippen behan-
Romanischer Pfeiler. delt wurden. Um ihre gar zu gl-osse Schlankheit
fürls Auge zu mildem, manchmal auch um ihnen
einen festeren Halt zu schaffen, erhielten sie oft in halber Höhe oder in
mehreren Abständen ringförmige Umfassungen. Auch für die Quergurte
und die Arkadenbögen, vor welche man gern kräftige Halbrundstäbe legte,
hatte man am Pfeiler entsprechende Vorlagen in Gestalt von Halb- oder
Dreiviertelsäulen-angeürdnet- Das Verlangen nach weiterer Gliederung und
Theilung der Gewölbüächen liess nun auch -v0r die zwischengestellten 'Ar-
kadenpfeiler bisweilen Halbsäulen treten, welche sich oberhalb des Pfeiler-
kämpfers weiter an der Oberwand fortsetzten und von ihren Kapitälßn eben-
falls Gewölbrippen aufsteigen liessen, so dass nunmehr ein sechstheiliges