Volltext: Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart ; mit 448 Holzschnitt-Ill.

Zweites Kapitel. 
Romanischer Styl. 
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sten erregt war, um so lebendiger musste es auch in den künstlerischen 
Unternehmungen sich darthun. In Frankreich, dem Lande der Initiative Folgen des- 
und der Neuerungssucht, entstand aus enen Anregungen und diesem ge- gelbem 
waltigen geistigen Gähren in kurzer Frist ein ganz neuer Architekturstyl, 
der gothische. In Deutschland aber, wo das zähe Festhalten am Ueber- 
lieferten eben so wohl in einer Treue der Gesinnung, wie in einer gewissen 
Schiverfälligkeit des XVesens als charakteristischer Nationalzug begründet 
liegt, blieb man lange bei derjenigen Umgestaltung der romanischen Bau- 
weise stehen, welche mit dem Namen des Uebergangsstyles bezeichnet wird. 
Dieser Ausdruck ist angegriffen worden , weil man die gedachten Erschei- Name und 
nungen nicht als geschlossenen Styl dem romanischen und gothischen gegen-  
überstellen könne, und weil er zu der irrigen Meinung leicht verführe, als 
0b der romanische Styl durch diese nUebergängeu hindurch seine Umwand- 
lung zur Gothik bewerkstelligt habe. Man hat deshalb mancherlei andere 
Benennungen, als Spätromanischer, Nachromanischer u. dgl. vorgeschlagen. 
Am bezeichnendsten könnte "man ihn vielleicht Romanischer Spitz- 
bogen styl nennen, da in diesem Ausdruck das Wesentliche seines Inhalts 
gegeben ist. Allein das Kürzeste und Zweckmässigste dürfte sein, es bei 
dem einmal üblich gewordenen Namen bewenden zu lassen, wenn man nur 
festhält, dass er nicht einen inneren Uebergang vom romanischen zum 
gothischen, sondern nur die üppige, zum Theil entartete , immerhin aber 
prächtige Nachblüthe des romanischen Styls bezeichnet.  
Das hervorstechendste Merkmal der Uebergangsbauten ist nun der Spitzhogen. 
Spitzbogen. Wir fanden seine Form schon in der Frühzeit der ägyp- 
tisch-mohamedanischen Architektur, doch ohne tiefere constructive Bedeu- 
tung." Auch jetzt nimmt er zunächst eine vorwiegend decorative Stellung 
ein und erscheint bald an diesem, bald an jenem Theile der Bauwerke. 
XVie die architektonische Entwicklung im Mittelalter stets vom Inneren 
ausgeht, so findet man die neue Bogenform zuerst im Inneren von Gebäu- 
den, deren Aeusseres noch durchweg romanische Bildung athmet. So er- 
scheint er z. B. an den Arkaden offenbar nur, um eine pikante Abwechslung 
der Formen zu gewähren, indess Wölbungen und Fenster noch rundbogig 
sind. Auch kommt es vor, dass die östlichen Theile, bei denen man den 
Bau zu beginnen pflegte, noch den Rundbogen zeigen, während das in der- 
selben Bauepoche entstandene Langhaus den mittlerweile wahrscheinlich 
in Aufnahme gekommenen Spitzbogen hat, wie an der Pfarrkirche zu 
Büren bei Paderborn. Bei anderen Gelegenheiten ergab sich die neue 
Form durch eine besondere Nothwendigkeit. Wollte man nämlich Stützen 
von verschiedener AhstandSWeite durch gleich hohe Bögen verbinden, so 
musste zwischen den engeren Stützen, wofernman nicht den Rundbogen 
überhöhte, ein Spitzbogen angewandt werden. So findet er sich in der 
Marienbergkirche zu HelmStiidt, wo die dem Kreuzschiff angren- 
zende Pfeilerstellung der Arkaden enger ist als die der übrigen, und daher 
den zugespitzten Bogen zeigt. 
Auf ähnliche Weise mochte zunächst auch am Ge wölbe diese Bogen- Gewölbe. 
form sich eindrängen. Sobald man nichtquadratische, längliche Felder ein- 
wölben wollte, ohne den Rundhogen ganz aufzugeben, kam man dazu, die 
engere Säulenstellung spitzbogig zu verbinden , um mit dem über den wei- 
teren Abständen errichteten Rundbogen gleiche Scheitelhöhe zu erreichen.
	        
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