Zweites Kapitel.
Romanischer Styl.
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verfuhr man ähnlich mit der Ausbildung der Portale. Durch mehrere hinter
einander folgende rechtwinklige Ausschnitte, in welche man dünne Säulen
und auch wohl, im Wechsel mit ihnen, Statuen stellte (vgl. Fig. 173), ge-
wann man für die Laibung des Portals eine schräge, durch runde und eckige
Glieder und durch kräftige Schattenwirkung lebendig bewegte Linie, die
sich nach aussen erweiterte, so dass nach Schnaasds Ausdruck das Innere
sich hier dem Herantretenden gleichsam einladend und ihn hineinziehend
öffnete. Diese Gliederungen führte man nun auch in consequenter Weise an
dem Rundbogen, mit welchem das Portal geschlossen wurde, durch, so dass
auch hier ein WVechsel von Rundstäben und Mauerecken eine lebendige
Wirkung gab. Da aber die eigentliche Oeffnung des Eingangs in der Regel
durch einen horizontalen Thürsturz gebildet wurde, so entstand über diesem
ein vom Rundbogen umrahmtes Feld ( das Tympanon) , welches man durch
bedeutsame Reliefdarstellungen , meistens die Gestalt des thronenden Er-
lösers mit dem Buche des Lebens, begleitet von den Schutzheiligen der
Kirche, zu schmücken pfiegte. So war hier im kleinen Rund des Einganges
bereits vorbildlich ausgesprochen, was im Zielpunkt der Kirche, in der
grossen Altarnische , sich als Grundgedanke des Ganzen darstellen sollte,
und den Zutritt zum heiligen Raume schirmte die Gestalt dessen , der sich
als den einzigen NVeg zum ewigen Leben selbst bezeichnet hatte.
Neben jener einfachsten und gewöhnlichsten von uns geschilderten
Thurmanlage findet man an romanischen Kirchen auch noch andere Anord- müssen-
nungen der Thürme, und zwar gruppiren sich dieselben entweder am west-
lichen Ende der Kirche, oder um das Kreuzschiif und den Chorbau. Sehr
häufig combiniren sich beide Systeme; doch auch hierin beobachtet man
manche Verschiedenheiten. Es wurde nämlich in gewissen Gegenden früh ,
schon auf der Vierung eine Kuppel errichtet, die sich nach aussendurch
einen aus der Kreuzung von Langhaus und Querschiff aufsteigenden Thurm
bemerklich machte. Ohne Zweifel hatten auf diese Anordnungdie Vorbilder
byzantinischer Bauweise . wie S. Vitale und das Aachener Münster, ent-
schiedenen Einfluss, so dass man dieselbe als einen Versuch zur Verbin-
dung von Centralanlage und Basilikenbau betrachten kann. Aber die künst-
lerische Gestaltung und Ausbildung war doch eine wesentlich verschie-
dene. Man führte den auf der Kuppel sich erhebenden Bautheil ziemlich
hoch empor und gab ihm ein steil ansteigendes Dach, so dass er, mochte
man ihn nun achteckig bilden wie in Deutschland. oder viereckig wie an
den normannischen Bauten, mehr den Eindruck eines Thurmes als einer
Kuppel gab. Um indess auf die dadurch bedeutsam hervorgehobene Kreu-
zung nicht ein unangemessenes Gewicht zu legen, Zeigen die schöneren
Bauten des Styls eine Verbindung des Kreuzthurmes mit den beiden XVeet- -
thürmen, wobei jenem durch diese ein entsprechendes Gegengewicht be-
reitet wird.
Es muss der Einzelbetrachtung überlassen bleiben, auf die unzählig Ausläilduns
verschiedenen Thurm-Combinatiünen hinzuweisen, in welchen der roma- Aeussdrexi.
nische Styl seine schon angedeutete Mannichfaltigkeit, seinen Reichthum
an individuellen Besonderheiten aussprichtßc. Um jedoch ein Beispiel höch-
ster Ausbildung und thurnlreichßter Pracht zu bieten, an welchem obendrein
die sogleich zu erörternde Durchbildung des gesammten Aussenbaues klar
zu erkennen ist, geben wir unter Fig. 174 den östlichen Aufriss der unfcrn