Einleitung.
unkünstlerisch, gewisse Formen, besonders aussclimüekencler Art, dem
Tempelbaue , um durch sie auch dem XVcrke alltäglichen Bedürfnisses die
höhere Weihe der Kunst aufzudrücken. Doch ist jene Entlohnung nur ein
schwacher Nachhull, in welchem der Grundaccord, nicht ohne mancherlei
'l'rübung, leise verklingt. In weiter Vorgesehrittenen ltpoehen der Entwick-
lung erwächst aber der Baukunst die praktische Aufgabe, allen Bedürfnissen
des Lebens, sowohl einem ausgebildeten staatlichen Dasein, als auch den
mannichfarchen Beziehungen des Privatlebens in künstlerischer YVeise gerecht
zu werden. Erst in dieser allgemeinen Ausdehnung ihrer Herrschaft wird
sie zum vollkommenen Spiegelbilde des gesammten Charakters einer Zeit.
Die lillvluuule An jedem YVerke der Baukunst lassen sich die beiden Elmncntc des
Aütlflllifilütllr. Praktisch-Nothwendigen und des Idealen, deren Vereinigung erst das Kunst-
werk ausmacht, nachweisen. Doch ist dies nur so zu verstehen, dass Bei-
des nicht getrennt für sich, sondern auf's Innigstc verschmolzen auftritt.
Der reale Zweck ist es zunächst, der die Anordnung des Grund p lanes
bedingt. Aber die harmonische Ausbildung desselben fällt schon der eigent-
lich künstlerischen Thatigkeit anheim, um so mehr, da sie nicht ohne Rück-
sicht auf die Art der Bede ekung der Rau me durchgeführt werden
kann. Auch die Raumbedeckung ist für's Erste ein Ergebniss praktischer
Anforderungen, die nach den Bedürfnissen der Gottesverehrung, der Sitte
des Volkes, der klimatischen Beschaffenheit des Landes und der Art des
zu verwendenden Materiales sich vielfach anders gestalten. Die Erfindung
derjenigen Construction dagegen, die am vollkommensten dem Zweck ent-
spricht, ist bereits eine That des baukünstlerischen Genius. Allein erst
dadurch verleiht dieser seiner Schöpfung die vollendende Weihe, dass er in
einer schönen, klar verständlichen Formensprache den Grundplan und
die Construction vor Aller Augen darlegt , dass er durch Ilngclnessene
Glie derungen das Bauwerk als einen lebendigen Organismus hinstellt,
der selbst seine Ornamentik wie durch ein Naturgesetz hervortreibt.