ZWEITES
KAPITEL.
Styl
der mohamedanischen Baukunst.
Moscheen. Wie sich überall der höhere Styl der Architektur an den heiligen
Gebäuden entfaltet, so fassen wir auch bei den Mohamedanern die Bauart
ihrer Cultusstätten, der Moscheen, vornehmlich in's Auge. Da ergibt
sich denn gleich bei der Betrachtung des Grundrisses, dass von einer
feststehenden Form, aus welcher sich eine Weitere Entwicklung hätte an-
spinnen können, nicht die Rede ist. Die Grundbedingungen, aus denen die
Moschee sich aufbaut, sind ein grosser Hof für die vor der Andacht vorzu-
nehmenden Waschungen, und eine Halle (Mihrab) für die Verrichtung der
Gebete. In welcher Lage, in welchem Verhiiltniss diese Theile zu einander
stehen sollen, darüber gibt es keine feste Regel. Nur die eine Vorschrift
ist bindend , dass der betende Gläubige sich nach Mekka zu wenden hat,
wesshalb eine kleinere Halle (Kiblah) zur Bez dieser Richtung
angeordnet ist. In dem Gebäude muss sodann ein besonderer Ort ausge-
zeichnet werden, wo der Koran aufbewahrt wird; ferner ist eine Kanzel
(Mimbar) nothwendig, von welcher herab die Priester zu den Gläubigen
reden. Als dritten wesentlichen Theil verlangt die Moschee einen schlanken
Thurm (Minaret) , von welchem der Muezzin die Stunden des Gebets
xierkündigt.
tierschiedene S0 mannichfaltig die Art und XVeise ist, in welcher diesen Forderungen
Grundmäne- genügt wird, so lassen sich dieiMoscheen doch auf
zurückführen. Die eine besteht aus einem länglichiiiriereckigen Hofe fder
auf allen Seiten von bedeckten Säulengängen umgeben und durch hohe
Mauern von der Aussenwelt abgesondert wird. Nach der einen Seite , wo
die Halle des Gebets und das Heiligthum mit dem Koran liegen , pflegen
vermehrte Säulenstellungen dem Gebäude eine grössere Tiefe zu geben.
Doch sind die dadurch entstehenden, mit Hacher Decke versehenen einzel-
nen Schiffe sämmtlich von gleicher Höhe, unterscheiden sich also wesentlich
von dem Charakter der altchristlichen Basiliken. In dem freien Hofe befin-
det sich ein durch einen kuppelartigen Bau überdeckter Brunnen für die
heiligen Waschungen. Auch der Kern des Gebäudes wird, namentlich um
die Stelle des Heiligthums oder das oft mit den Moscheen verbundene
Grabmal des Erbauers zu bezeichnen, mit einzelnen Kuppeln bedeckt.
Dazu kommt endlich ein oder mehrere, eben so willkürlich angebrachte
" Minarets, welche mit ihren feinen Spitzen sich unvermittelt aus der breit
i hingelagerten Masse der übrigen Theile sammt ihren schwerfälligen Kuppeln
erheben. Die ganze Anlage hat also weder wie in den byzantinischen Kir-
chen einen Mittelpunkt, noch entwickelt sie sich in der Richtung nach
einem Zielpunktß Wie die Bäsiliken. Auch dadurch, dass die Halle des
Gebets manchmal als ein besonderer Bau von beträchtlicherer Ausdehnung
angefügt wird, erhält dieser einer organischen Entwicklung unfähige