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Drittes Buch.
zur Leitung des Unternehmens. Die Oberleitung hatte der Abt Ansigis
von S. Vandrille bei Rouen. Kostbare Marmorplatten, Mosaiken und Säulen
wurden von Trier, Rom und besonders dem kurz vorher verwüsteten Ra-
venna aus antiken Gebäuden herbeigebracht, und selbst. die Quadersteine
verschaffte man sich aus den Mauern von Verdun.
Auffallend ist, dass die Grundform seiner Kapelle (vgl. Fig. 135) sich
dem byzantinischen Centralbau, und namentlich der Anlage von S. Vitale
in Ravenna, nähert. Indess war ein Polygon-
Fig- UV bau für die Zwecke einer kaiserlichen Schloss-
kapelle wohl geeigneter als die Form der
17, Basilika, eine Erklärung, die man vielleicht
, s selbst für die Entstehun S. Vitale's so wie
y Q der Sophienkirche in Ansäruch nehmen darf.
{Ö ß 0 Um einen achteckigen, durch kräftige Pfeiler
{A m mit Bogenverbindungen begrenzten Mittelbau
[W wi I] von 48 Fuss Durchmesser ziehen sich in zwei
Y i __l Stockwerken, wie in S. Vitale, niedrige Um-
, ß gänge. Diese sind hier sechzehnseiti und
i via l haben demnach in ihrem unteren Gesfhosse
S: Ä eine Decke von Kreuzgewölben und drei7
VY äg- wl eckigen Wölbungen, deren Gurtbögen auf
i kräftige Wandpfeiler in der Umfassungsmauer
sich stützen. Das obere Geschoss. ist dagegen
g in sinnreicher Weise durch eine Art von hal_
_ v .
lnrtem lonnengewolbe geschlossen, welches
Münster zu Aachen
5„ Amgm einen wirksamen Gegendruck gegen die hohe
Kuppel ausübt. Nach dem Mittelraume öffnet
sich der obere Umgang durch hohe, von den Pfeilern emporsteigende Rund-
bögen. In jeden derselben stellte man zwei Säulen, die unter einander und
mit den Pfeilern durch kleinere Kreisbogen verbunden wurden. Da aber
bei den einmal vorgefundenen Verhältnissen dieser Stützen dadurch die
ganze Höhe der Oeffnung nicht ausgefüllt wurde, so half man sich, so gut
es bei der beschränkten architektonischen Intelligenz gehen wollte. Man
stellte nämlich auf das von den unteren Säulen getragene Mauerstück noch
zwei obere Säulen, die nun freilich in sehr unschöner Weise mit ihrem
Kapitälaufsatz unmittelbar unter die grosse Bogenöffnung stiessen. Diese
Anordnung, die offenbar nur ein Nothbehelf war, zeugt am besten von der
Rohheit des architektonischen Gefühls und dem Mangel an Erfindungsgabe.
Man war noch so sehr an das vorhandene Material gefesselt, dass man sich
noch nicht zu eigenen, neuen Combinationen befreien konnte. Um so an-
erkennenswerther ist das constructive Geschick, welches sich in der Ueber-
Wölbung der Seitenräume kund gibt, obwohl die eigentliche Technik der
Ausführung ungenau und nachlässig ist. Ueber den oberen Arkaden steigt
ein Mauercylinder mit acht rundbogigen Fenstern auf, und darüber wölbt
sich, ohne trennendes Gesims, die.Kuppel. Im Aeusseren ist der Bau an
den Ecken durch doppelte, weit vertretende Pilaster mit römischenKapi-
tälen gegliedert, die in kräftiger Weise das Widerlager verstärken. Die
Kuppel hat in neuerer Zeit eine Erhöhung und ein hoch ansteigendes
Schutzdach erhalten. Gegen Osten schloss sich eine ebenfalls zweistöckige