Volltext: Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart ; mit 448 Holzschnitt-Ill.

Viertes Kapitel. 
Altchristliche Baukunst bei den Germanen. 
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stammelnden Versuchen, in fremder Kunstsprache zu reden, berichten. S0 
wenig wir auch Eigenthümliches, Neues finden, so hat doch andererseits die 
Energie , der regeEifer, mit welchem die kindlich unentwickelten Völker 
sich einer durch ihre Pracht und Grösse überwältigenden Bildung hingeben, 
der unverdrossene Muth, mit welchem sie ihre ersten Schritte auf der Bahn  
höherer Cultur wagen, etwas Fesselndes. 
Dass bei der Rohheit jener Naturvölker die Berührung mit den Resten Mangel an 
einer abgelebten Cultur zuerst keine erfreuliche Mischung hervorzurufen Cum" 
vermochte , war natürlich.  Die angeborne, durch die langen Kämpfe ge- 
steigerte Wildheit des Sinnes entsprach wenig den ausgebildeten Formen 
römischer Sitte, Gesetze und Einrichtungen. Gleichwohl waren sie dem im 
Gährungsprozess seiner ersten Entwicklung befangenen nationalen Geiste 
die einzigen Vorbilder eines geordneten staatlichen und gesellschaftlichen 
Daseins. Dazu kam aber noch bei den in Italien eingedrungenen Völker- 
schaften das Berauschende einer üppig südlichen Natur, welches auf die 
ungebildeten Gemüther einen sinnbethörenden, vielfach verderblichen Ein- 
rluss übte. So ist es denn kein Wnnder, dass das Christenthum nur in sei- 
ner äusserlichsten Form angenommen wurde , und dass das wilde , zügel- 
lose Leben in schneidendem Contraste gegen das religiöse Bekenntniss 
stand. Aehnlich verhielt es sich denn auch mit den Aeusserungen der 
künstlerischen Thätigkeit, so dass die ungefüge Art der Ausführung oft 
einen auffallenden Gegensatz zu den aus antiken Gebäuden geraubten_ 
Prachtstücken, den Säulen mit ihren Kapitälen und den Ornamenten, bildet. 
Die Ost gothen waren die ersten, welche vermöge ihrer Bildungs- Qstgoma, 
fähigkeit auf italienischem Boden eine Aneignung antiker Formen im Leben 
wie in der Kunst mit einem gewissen Erfolge versuchten. Besonders unter 
Theoderich's Herrschaft wird eine rege Bauthätigkeit bemerkbar. Was, von 
seinen Werken noch vorhanden ist, ahmt durchaus den Charakter spät- 
römischer Architektur nach. So findet man an seinem Palaste zu Ra- 1mm 
vennal), von dem ein geringer Theil sich in der Vorderfacade des Franzis- Theode'ich's' 
kanerklosters erhalten hat, die Anordnung von Halbsäulen mit aufruhenden 
Blendbögen, wie am Palaste Diocletian's zu Spalatro; nur sind die Einzel- 
formen bereits roher, entarteter. Bedeutender für die Erkenntniss des 
Geistes seiner Bauunternehmungen ist sein Grabmal ebendaselbst, die Grabmal, 
heutige Kirche S. Maria della Rotollda zl- 1m Gßgensatze gegen seine an- 
deren Bauten, die nach dem Vorbilde der römischen Prachtwerke sehr reich 
ausgeschmückt und mit Mosaiken bedeckt waren, erhebt sich dieses Denk- 
mal in beabsichtigter Einfachheit, einen würdigen Eindruck gewährend. 
Auf einem zehnseitigen Unterbau, Welcher von zwei Gängen durchschnittgn 
wird und vermuthlich in der Mitte den Sarkophag des Königs barg, ruht 
ein ebenfalls zehneckiges zweites Geschoss, zu welchem eine doppelte Frei- 
treppe emporführte. Eine gewölbte Säulenhalle umgab ehemals das obere 
Stockwerk. Das Innere desselben, "von runder Grundform, ist von einer 
über-30 Fuss im Durchmesser haltenden Kuppel bedeckt, die von einem  
einzigen ausgehöhlten Felsblüclßsgebildet wird. Die Kühnheit, mit welcher 
eine so ungeheure Last aus den rstrischen Steinbrüchen herbeigebracht und 
1'. Quast: Ravenna. 
Ebendaselbst.
	        
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