Drittes Kapitel.
Byzantinischer Centralbau.
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lLebt-zäs, ulzielcher sich um so schärfer ausbildete, je ruhiger und stätiger
ier as C ristenthum seine Herrschaft befestigen konnte. Denn während
Italien im Laufe der nächsten Jahrhunderte der Tummelplatz der verhee-
rendsten Kämpfe, der wilden Einfälle der germanischen Völker war, wivuss-
ten die byzantinischen Kaiser die Angriffe der Barbaren theils durch Geld-
opfer abzukaufen und auf das weströmische Reich abzulenken, theils durch
kräftige Feldherren zurückzuschlagen.
War durch diese Lage der Dinge der Entwicklung des neuen Staates Deßßhfißteß-
hinlängliche Ruhe verbürgt, so erwies sich diese dennoch für die Neuge- "mm
staltung keineswegs günstig, und am nachtheiligsten wurde sie für das
Christenthum selbst. Da man den ganzen schwerfälligen Apparat des heid-
nischen Lebens, der nur noch aus Formen bestand, aus welchen die Seele 1
längst gewichen war, auf den Boden des neuen Reiches verptlanzte, so ver-
mochte das Christenthum nirgends den erfrischenden, regenerirenden Ein-
fluss auf das Dasein zu gewinnen, der in seiner weltgeschichtlichen Aufgabe
lag. In Rom, wo es den heftigen Leidenschaften roher, aber kindlicher
Naturvölker entgegenzutreten hatte, erstarkte es gerade durch dieses be-
ständige Kämpfen um- die Existenz zu einem kräftigen Leben , indem es
vorzüglich seinen sittlichen Inhalt ausbildete. In Byzanz , wo es einer alt-
klugen, ergrauten Bildung sich gegenüber fand, musste es auf die conven-
tionellen Formen derselben eingehen und brachte es nur zu einer verknö-
cherten Dogmatik, in welcher es allmählich erstarrte. S0 erschien es fast nur
wie ein neuer Aberglauben, in welchem die Verderbtheit und Ruchlosigkeit
der Menschen um so abschreckender sich zeigte, je mehr durch den Firniss
höfischer Sitte die Niedrigkeit der Gesinnung hindurchschien.
Dazu kam noch ein wichtiger Umstand. Indem der Mittelpunkt des Orientalische
Reiches so weit nach Osten, an die Pforten Asiens rückte und sich auch Emßüssß
geistig von dem beunruhigten Westen abschloss, wurde den Einüüssen des
Orients freier Zugang eröffnet. Waren nun diese schon in den letzten Zei-
ten des Römerreiches bis nach Rom gedrungen und hatten die Religions-
fornien, den Despotismus und die üppigen Trachten und Sitten Asiens da-
selbst eingeführt, um wie viel mehr mussten sie jetzt in dem viel näheren
Byzanz einen empfänglichen Boden finden! Da aber, dem bewegten, viel-
gestaltigen Leben des Abendlandes gegenüber, der Orient auf die Einheit
und Ruhe eines statarischen Daseins gerichtet ist, so wurde dies immer
mehr der Grundzug des byzantinischen Lebens, der sich in der Religion als
dogmatische Starrheit , im Staate als unbeschränkter, grausamer Despotis-
inus und im bürgerlichen Dasein als holiles, conventionelles Wesen aus-
prägte, hinterhdßessen Maske die Laster einer verderbten Civilisation sich zu
verbergen suc en.
So unerfreulich nun das byzantinische Reich fast durchweg in allenGeschichtliche
seinen l-trschelnungen_ 1st, S0_ hat es doch in seiner Mittelstellung zwischenmäßäglzäfles
dem Orient und Occident, m seiner durch Jahrhunderte fortdauernden, Reiches-
wenn auch ganz äusserlich erstarrten Cultur sehr wichtige Einflüsse auf
die Entwickiung Europas gewonnen. Es hielt, den Gährungen der Völker-
Wanderungen gegenüber, das Beispiel einer grossen politischen Einheit auf-
recht; es vererbte den Völkern des Abendiandes die Schätze griechischer
SPTaChe und Pöesie: die nachher beim Falle des byzantinischen Reißhes
für die Neugestaltung Europas von so wichtigem Einfluss wurden; es