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Buch.
Zweites
und verbinden es mit der Wand, die auch ihrerseits oft durch derartige
spielende Darstellungen eingerahmt erscheint. Den unteren Theil der Wand
bildet ein meistens dunkel gefärbter Fuss. Die Bilder sind gewöhnlich
klein , wie denn die Gemächer selbst nur geringe Dimensionen haben. Die
Gemälde wurden entweder auf den nassen oder trocknen Bewurf, oder auch
enkaustisch auf einen WVachsgrund ausgeführt.
Aesthetisehe Würdigung und geschichtliche Bedeutung
der römischen Architektur.
Praktische
Richtung.
zwiespältig-
keit.
Von jener idealen Höhe, welche die griechische Kunst einnahm,
mussten wir bei Betrachtung der römischen Architektur herabsteigen. Die
griechische Baukunst führte uns aus den Bedürfnissen und Schranken des
alltäglichen Lebens heraus; sie weilte nur in den freien, heiteren Gebieten,
wo die ewigen Götter thronten. Daraus erwuchs ihr selbst jener Zauber
freudiger Klarheit, hoher Selbstgenügsamkeit, der alle ihre Gebilde um-
spielt. Die römische vermochte eine ähnliche Höhe nicht zu halten; sie
verliess jene ideale Stellung, um sich gerade unter die Bedingungen und
Anforderungen des praktischen Lebens zu begeben. Hierin lag ihre Be-
schränkung, aber auch ihr Vorzug. Sie versperrte sich keinem Bedürfniss
des Daseins, so gewöhnlich und alltäglich es sein mochte, und ohne das
vergebliche Streben, auf diesem Gebiete in sich Vollendetes, organisch
Durchgebildetes zu schaffen , lieh sie gleichwohl allen ihren YVerken einen
Abglanz griechischer Schönheit, der veredelnd das Erzeugniss gemeiner
Nützlichkeit in die Sphäre künstlerischen Daseins erhob. Ohne jene geniale
Schöpferkraft, die allein das Höchste hervorzubringen fähig ist, wussten
die Römer in ihrem vorwiegend verständigen Sinne zwar keine eigent-
lich neuen Formen zu schaffen, aber indem sie die alten
Formen in neuer Weise verbanden, erzeugten sie ein neues
System der Architektur, das in grossartigster YVeise sich auf jede
Gattung von Gebäuden anwenden liess. In dieser Anwendung sind sie
gross, vielleicht unübertroffen.
Allerdings kam dadurch eine gewisse Zwiespältigkeit in ihre Schöpfun-
gen, die dem streng architektonischen Gesetze organischer Entfaltung wider-
strebt. Die praktischen Bedürfnisse, mächtiger als der ästhetische Sinn,
zwangen letzteren zu mancherlei Concessionen, und die mehr combinirende
Art jener Architektur begnügte sich mit einer äusserlichen Zusammen-
fügung, da innere Entwicklung, völlige Verschmelzung der Elemente aus-
serhalb des Horizonts ihrer Fähigkeit lag. Solche Zwiespältigkeit lässt sich
selbst in der Form des römischen Kapitals nachweisen, besonders aber in der
Verbindung des Säulenbaues mit dem Gewölbebau, die man mit einer aus
Rücksichten äusserer Zweckmässigkeit geschlossenen Convenienz-Heirath
vergleichen möchte. Kein Wunder daher, dass in der römischen Architektur
eine gewisse nüchterne Kälte der Empfindung sich bemerklich macht, wie
sie solchen Verbindungen anhaftet. Wir sahen auch, wie dies Verhältniss
auf die Behandlung der Säulen selbst zurückwirkte. Bei den Griechen
waren sie die Töchter des Hauses, die im innigsten Einklange mit den