Drittes Kapitel.
Römische Baukunst.
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Atrium B nimmt uns auf, dessen nach innen geneigtes Dach mit seinem
offenen Impluvium in Beziehung steht zu der in dem Fussboden angebrach-
ten Vertiefung, dem Compluvium , wo das herabfallende Regenwasser sich
sammelt. An das Atrium stossen unter c sechs kleine Schlafzimmer, welche
ihr Licht durch die offenen, nur etwa mit Teppichen verschliessbaren Thü-
ren empfangen. Auf beiden Seiten bei D erweitert sich durch die Flügel
(Alae) das Atrium, und in seiner Tiefe tritt ein anderer Raum C hinzu,
der gegen die innere YVohnung nur durch einen Vorhang abgegrenzt wurde,
und als Repräsentationsraum die Ahnenbilder (tabulae) der Familie enthielt.
Er hiess daher das Tablinum. E scheint die Bibliothek, F ein Schlafzim-
mer gewesen zu sein. Zwischen letzterem und dem Tablinum liegt der
Gang (fauces), welcher die vorderen Räume mit der Familienwohnung
verbindet. Er bringt uns in ein schönes, geräumiges, zwei Stufen höher
liegendes Atrium G, von 46 Fuss Breite und 64 Fuss Tiefe. dessen vor-
springendes Dach auf einem Peristyl korinthischer Säulen ruht (vgl. den
Durchschnitt). Durch einen Gang (posticum) kann man von hier auf die
Nebenstrasse gelangen. ein Ausweg. der wie wir Wissen oft gewählt wurde,
um lästigen Besuchern zu entgehen. Der offene Raum des Atriums wird
in seiner ganzen Ausdehnung von '21 zu 36 Fuss von einem 6 Fuss tiefen
Bassin (der Piscina) eingenommen, dessen Einfassungen mitWasserpflanzen
und Fischen zierlich bemalt sind. An dieses prächtige Peristyl stossen
links wiederum kleine Schlafzimmer L, während rechts der Speisesaal
oder das Triclinium M liegt. In der Hauptaxe des Hauses dagegen treten
wir durch den breiten Eingang in den wieder um zwei Stufen erhöhten
Hauptraum des Hauses, den Oecus H, welcher. 24 Fuss breit, 32 Fuss
tief, einen geräumigen Saal darstellt, der durch die Aussicht nach vorn in
das Peristyl mit seinem Wasserbassin und seiner reich geschmückten Säu-
lenhalle, nach hinten in den Garten den reizendsten Aufenthalt gewährte.
Von hier wie vom Peristyl aus war durch den 5 Fuss breiten Gang I eine
Verbindung mit dem Garten gegeben. Daneben sind K und die kleineren
anstossenden Räume die Küche nebst einem Gemach zum Anrichten der
Speisen. Man hat hier ausser vielen thönernen Geschirren noch den ge-
mauerten Heerd, und auf demselben Holzkohlen gefunden. Die ganze Hin-
terfront. des Hauses geht auf den Garten hinaus, der hier sich mit einer
säulengetragenen Halle anschliesst. Dies Iwaren die Räume. welche dem
Eigenthümer des Hauses als Wohnung dienten, und zu denen im oberen
Geschoss nur noch eine Anzahl von Zimmern. wahrscheinlich für die Scla-
ven, hinzukam. Da aber das Haus zugleich den ganzen Raum zwischen
vier Strassen inne hatte, also eine Insula war, so hatten die übrigen Theile
eine derartige Anlage, dass sie anderweitig vermiethet werden konnten.
So sind denn an der Vorderseite und an der einen Langseite a mehrere
Verkaufsliiden, N dagegen an der anderen Langseite gehören einer Mieths-
Wohnung an. Das grösste Interesse gewähren jedoch die sechs mit b be-
zeichneten Raume, in welchen man eine Bäckerei und Mühle erkannt hat.
Der runde Backofen, das Mühlenllaus mit den drei Mühlen, den Mehl-
behältern, dem Wasserreservoir und dem Backtisch sind leicht zu erkennen,
und in dem Eckrauule, der auf zwei Strassen hinausliegt, hat man Sich
wahrscheinlich das Verkaufslokal zu denken. In diesem kurzen [Teberblick
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