Drittes Kapitel.
Römische Baukunst.
139
punkte der Kugel gerichteten Keilschnittes die Wölbung nach den stati-
schen Gesetzen des einfachen Halbkreisbogens bewirken. Ihre Last wuchtet
in gleicher Weise auf allen Theilen des runden Mauercylinders (des Tam-
bours) , auf welchem sie ruht, und der demnach eine kräftig massenhafte
Anlage erfordert. Hierin liegt etwas Schwerfälliges, Beschränkendes, und
diesen Eindruck macht in der That jene ursprüngliche Kuppelform. Die
mathematisch vollkommenste Form, die Kugel, hat etwas Unlebendiges,
welches sie für die Architektur ungünstig erscheinen lässt. Wie wir an
dem Grundplan des etruskischen Tempels, der sich dem Quadrate näherte,
den wirkungsvollen Gegensatz vermissten, der den griechischen Tempel ver-
möge seiner verschiedenen Längen- und Breitenrichtung auszeichnete, so
fehlt auch dem kreisrunden, kuppelbedeckten Raume jenes höhere Element
wahrhaft organischer Entwicklung, das auf der Vereinigung und Verschmel-
zung von Gegensätzen beruht, wiees in lebenvoller Weise das Kreuz-
gewölbe zeigt. Eine glücklichere Wirkung entfaltet die Kuppel indess da,
wo sie sich auf polygonem Unterbau erhob, wo sie mit der Einheit ihrer
Wölbung die Vielheit der gegliederten Umfassungsmauer bedeckte. Auch
für die halbkreisförmige Nische, mit welcher man rechtwinklige Räume an
der einen Schmalseite zu schliessen- liebte, wurde meistens eine Halb-
kupp el als Wölbung gewählt.
Aber nicht bloss für die Ueberdeckung der Räume, sondern auch für Belebung der
die Gliederung der inneren Wandflächenierwies sich der Bogen- wandnachen"
bau wichtig. Man theilte die Mauermasse entweder durch Hache Blend-
bögen, oder gab ihr durch ein System überwölbter Nischen eine durch
energischeren Wechsel von Licht und Schatten bedeutungsvolle Behandlung
und zugleich dem Raume mannichfaltige Erweiterung. Doch war der Bogen-
bau allein für diese Art der Decoration und Massengliederung nicht _aus-
reichend. Er bedurfte eines anderen Factors, der, was ihm an innerer,
künstlerischer Durchbildung abging , ersetzte. Dazu wurde der Säulen-
b au ausersehen.
Dies nämlich ist der Punkt, wo die Rückwirkung des Gewölbe-
baues und des durch ihn getragenen Massencharakters der Architektur Wäfffiff"
auf die Gestaltung des Säulenbaues am entschiedensten hervortritt. Wir Gewölbebam
haben demnach hier zunächst die Frage zu beantworten , in welcher Weise
die Verbindung der beiden so verschiedenartigen Elemente stattgefunden
habe. Da ist denn als charakteristischer Grundzug festzuhalten, dass jene
Verbindung sich nur als eine lose, willkürliche zu erkennen gibt. Aus der
Mauermasse unmittelbar entwickelt sich der Bogen, das Gewölbe, und nur
in äusserlich decorirender Weise gesellen sich Säulenstellungen hinzu.
Diese lehnen sich hülfebereit an die des Schmuckes bedürftige Wand, tre-
ten also als etwas Fremdes, Wlukürlich Herbeigeholtes hinzu. Aber sie
kommen nicht allein: selbst in dieser Spätzeit bewahrt die griechische Säule
ihren geselligen Charakter so trffll, dass die architektonische Ausprägung
desselben, der Architrav mit seinem Friese , sie untrennbar begleitet- ES
legt sich demnach der bedeutsamste Theil der griechischen Architektur als
einfassender Rahmen um die römische Bogenspannung, und über der Wöl-
bung zeigt meistens das Tympanon des hellenischen Tempelgiebels seine
heitre, bildwerkgeschmückte SÜTII-