Zweites Kapitel.
Etruskische Baukunst.
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untere Durchmesser beträgt. Diese Schlankheit, in Verbindung mit deniiünstierisciisr
überaus weiten Abständen und der unkräftigen Bildung der Details, muss Chamkte"
dem ganzen Bauwerk einen nüchternen, unlebendigen Ausdruck gegeben
haben, der durch das hohe, weit vorspringende Dach noch verstärkt wurde.
Fit S1 In der dorischen Architektur bot sich uns ein Ganzes,
b an welchem die einzelnen Glieder im wirksamsten,
glücklichsten Wechslelverhältniss zu einander standen,
wo die Säulen mit i ren geringen Zwischenweiten den
Anblick eines lebendigen Rhythmus gewahrten , wo
der auf ihnen ruhende Bau durch klare Profilirung und
i-l" energische Schattenwirkung sich leicht und sicher von
jenen abhob. Hier aber treten" die Säulen, obendrein
Mwlii durch eine besondere Basis isolirt zu weit von ein-
ÄÄ ander, um nicht den Eindruck des mühsam zu einem
ill ljll Zwecke Zusammengehaltenen hervorzurufen ; das Dach
V r wuchtet schwer auf ihnen und erscheint durch die zu
mächtige Schattenwirkung seines Vorsprunges wie eine
dem Unterbau aufgezwungene fremdartige Last. Mit
Säule von der Clwumella einem Worte: im dorischen Bau die Einheit eines orga-
m volct nischen Lebens, im etruskischen die Zwiespältigkeit
einer mechanischen Zusammensetzung; dort die Sicherheit harmonisch
verbundener Glieder, hier das Unbehülfliche ungefüger Theilel Wir ver-
stehen daher den Ausspruch Vitruv's , der diesen Tempel iiniedrig, breit,
gespreizt und schwerköpiigr nennt. Auf die innere Verwandtschaft dieser
Bauform mit dem oben geschilderten Charakter des Volkes brauchen wir
nur hinzudeuten x)
Unter den erhaltenen Denkmälern nehmen die dGgabmälerd eirlilen Gräben
vorzü liehen Platz ein. Dies sind g-rossentheils ausge e nte unterir isc e,
in defi Gestein des Gebirges ausgehöhlte Räume, Grabkammern darstellend,
deren meist gerade Decke auf viereckigen Pfeilern ruht. Selbst da, wo eine
"Wölbung ausgemeisselt ist, trägt diese die Andeutung hölzernen Sparren-
werkes. Eine besondere architektonischelWichtigkeit erlangen diejenigen
von diesen Anlagen, welche da, wo sie zu Tage treten, mit einer dem
schräg ansteigenden Felsen aufgemeisselten Tempelfacade geschmückt sind.
Solche Werke finden sich in den ixlekropolen von Orchia und Oxia (dem
jetzigen Norchia und Castellaccio bel Viterbo). Ohne diesen Fagaden-
schmuck sind dagegen die Gräber W111 BOmaTZO , _Sutri, Toscanella
u_ S, w, Eine andere Form der Gräber schliesst die unterirdische Anlage
aus und besteht aus einem mehr oder minder ausgedehnten, meistens kreis-
runden Unterbau, der von niedriger Brüstungsmauer umschlossen wird,
wie dies in einfachster Gestalt der unter dem Namen der Cucumella be-
kannte Grabhügel bei Volci zeigt, der über 200 Fuss im Durchmesser hat.
In seiner Mitte erhebt sich ein Viefßßkiger Thurm, neben ihm ein kegel-
förmiger Denkpfeiler, der vermuthlich sammt drei ähnlichen den mittleren
Thurm umgab. Verwandter Anlage ist das bei Albano liegende Denkmal,
das unbegründeterWeiSe als Grab der Horatier und Curiatier be-
Zeichngt wird, Es trägt auf quadratischem Unterbau von 25 FuSS Breite
i,-
Ueber den ecruskischen Tempel vgl.
Vitruv lib. IV, cup. 7.
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