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Zweites Buch.
der Wände (vgl. Fig. 60 auf' S. 90) durchgeführt. Den höchsten Glanz
erreicht die nördliche Säulenhalle, in welcher auch die prachtvollste Thür
des hellenischen Alterthumes in ihrer ganzen zierlichen Umrahmung erhal-
ten ist. S0 haben die feinsten Zierden, die am Niketempel bloss durch
Bemalung angedeutet waren, hier volles plastisches Leben gewonnen." Aber
nicht zufrieden mit all diesem hohen Reiz architektonischer Form ,A greift
endlich an der südlichen Seitenhalle der Baumeister zum edelsten der orga-
nischen Gebilde und setzt die herrlichen Statuen untadelig schöner Jung-
fraucn an die Stelle der Säulen. In freier Würde schreiten sie einher, wie
man die Blüthe athenischer Jugend bei dem grossen Festzuge erblicken
mochte , und auf ihren Häuptern tragen sie , unter Verinittlung eines Ka-
pitals , dessen Echinus mit sculpirten Blättern bedeckt ist, die Decke des
Gemaches. Hier ist- das Gebälk in feinster Art behandelt, der Fries sammt
dem lastenden Dache vermieden, damit die Mädchen das Ganze wie einen
leichten Baldachin zu tragen scheinen. Statt dessen ist das Gesims mit einer
Reihe ionischer Zahnschnitte besetzt und mit einem Kymation bekrönt. So
atlnnet dieses glücklich gruppirte kleine Bauwerkrdie vollendetste Anmuth
des attisch-ionischen Styles, die üppigste, lebenvollste Blüthe seiner For-
men, die überall den höchsten Ausdruck erstrebt, ohne jemals die feine
Grenze zu überschreiten und in's Weichliche zu entarten.
Diesen glanzvollsten Denkmälern reihen wir einige andere an, die, im.
mm" übrigen Griechenland zerstreut, jenen in der Durchbildung des Styls sehr
nahe kommen, ohne jedoch ihre Feinheit und Vollendung zu erreichenf).
Ein Verhältniss , welches man als Ergebniss "provinzieller Einflüsse aufzu-
'l'ren1vv!di-r fassen haben wird. Am nächsten steht den YVerken der Akropolis der
Tempel der Nemesis zu Rhamnus in Attika, ein dorischer Peripteros
von geringen Dimensionen, 33 Fuss breit und 70 Fuss lang, bei sechs zu
zwölf Säulen. Seine Detailformen geben denen des Parthenons an Anmuth
nicht viel nach. Er ist indess, wie die nicht ausgeführten Canelluren der
Säulen verrathen, unvollendet geblieben. Ein Gebäude von merkwürdig
abweichender Anlage war sodann der grosse Weihetempel (das Mcgaron)
Tmnvrlihvr der Derneter zu Eleusis, Welcher zur Feier der Mysterien bestimmt
war, und dessen Anlage von I kti nos, dem Baumeister des Parthenon,
herrührte. Obwohl die vorhandenen Reste offenbar einem späteren Umbau
angehören, folgen sie ohne Zweifel der ursprünglichen Anlage. Demnach
war der Tempel ein quadratischer Bau von 166 Fuss (i Zoll im Lichten,
durch vier Reihen von je sieben dorischen Säulen in fünf Schiffe getheilt,
die auffallender Weise in der Queraxe des Gebäudes sich erstrecken.
K oroebos hatte die unteren Säulenstellungen errichtet. Auf ihnen er-
hoben sich obere Säulenreihen, welche über den Nebenschiffen Galerien
bildeten und von M eta genes ausgeführt waren. Das Mittelschiff bei
einer lichten Weite von 60 Fuss hatte ein Opaion, welches dem Bau das
erforderliche Licht zuführte und bei der beträchtlichen Breite besondere
Schwierigkeiten für die Construction darbieten mochte, die X enokles,
der Baumeister des Daches, jedoch zu lösen wusste. Später, um 318 v. Chr.,
liess Demetrius Phalereus dem Tempel einen Prostylos von zwölf dorischen
Säulen hinzufügen. Wichtig Wegen seiner eigenthümlichen Verbindung des
uneditz:
as of Atticn by thc Society of Dilettuuti.
London