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Zweites Buch.
Segesta.
In Unter-
Italien.
Paestuxrl.
sehr abweichende Construction scheint durch die Beschaüenheit des nur
in kleinen Blöcken brechenden Materiales bedingt. Der Tempel wird der
zweiten Hälfte des fünften Jahrh. angehören, da er bei Eroberung der Stadt
durch die Karthager im J. 405 noch nicht ganz vollendet war, namentlich
des Daches noch entbehrte. Ein sehr schön erhaltener, aber niemals vol-
lendeter Peripteros steht noch aufrecht zu Sege sta, die Säulen uncanel-
lirt, die Steinblöcke der Treppenstufen noch mit den Zapfen versehen , die
man für den Transport stehen gelassen.
Unter den Ueberresten Unter-Italiens (Gross-Griechenlands) sind
die von P ae stum (Poseidonia) die bedeutendsten f). Hier ist besonders der
grössere, ein hypäthraler Peripteros, der sogenannte P o s e i do n s tc mp e l,
193 bei 8 l Fuss, durch eine mit den sicilischen Monumenten im Allgemeinen
übereinstimmende schwere , alterthümliche Bildungsweise ausgezeichnet,
obwohl auch er erst dem Ausgange des fünften J ahrh. angehören wird. Er
ist bemerkenswerth als das einzige unter denMonumente-n des Alterthums,
in welchem sich die oberen Säulen der inneren Cella, die für die hypäthrale
Anordnung nothwendig waren, erhalten haben. Dem auf S. 75 gegebenen
Querschnitt, welcher die Erhöhung des Fussbodens der Cella zeigt, fügen
wir unter Fig. 70 den Grundriss dieses wichtigen Denkmals auf vorstehender
Seite bei. Die Treppen zwischen Pronaos und Cella beweisen, dass die
beiden oberen Galerien nicht direct mit einander in Verbindung standen.
Die 24 Kanäle der Säulen, die schweren Kapitäle und die Wiederholung
des Einschnittes am Halse , die flachen , ohne Tropfen gebildeten Platten
der Viae und Anderes zeugt von einem abweichenden Formensinne.
Epoche.
Zweite
Von
Kimon
bis
Zlllf
Macedonischen
Oberherrschaft.
(470
338 v.
C harakter
der 1. weite n
E poche
Nach den glücklich beendeten Perserkriegen entfaltete sich der Geist
des Griechenthums zu seiner höchsten Blüthe. Im stolzen Bewusstsein
jener erhabenen Kraft und Bürgertugend, die den Sieg über unzählige Bar-
barcnhorden errungen hatte , läuterte sich die alte Starrheit der Sitte zum
edelsten, freiesten Selbstgefühl. Die einzelnen Staaten standen glücklich
und mächtig da, innig verbunden durch Begeisterung für die nationale
Grösse und durch die heiligen Spiele, deren Feier in dieser Zeit den höch-
sten Glanz erlebte. Besonders war es Athen, dem ein Gipfelpunkt des
Daseins beschieden war, wie er nirgends in der Geschichte wiedergekehrt
ist. Seine kluge Tapferkeit im Perserkriege hatte ihm die erste Stelle im
Bunde der griechischen Staaten verschafft; seine vermehrten Besitzungen,
sein Handel gewährten ihm auch einen Reichthum, der es befähigte, in
grossartigen Kunstunternehmungen bleibende Denkmale jener glanzvollen
Stellung zu errichten. In der That bleibt Athen in dieser Periode der Mit-
telpunkt der Architektur-Thätigkeit, der klassische Boden, welcher die
erhabenstcn, edel vollendetsten Werke hervortreiben sollte. Durch die
Weisheit des Perikles wurde dem Staatsleben eine Richtung gegeben, in
welcher das Element persönlicher Freiheit auf's Glücklichste mit der con-
Dßlagardette.
Les ruines de Paestum ou Posidonia. F01. Paris 1799.