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Zweites Buch.
gegeben wurde, scheint eine schwerere Detailbildung hier fast durchweg
bedingt zu haben.
Zu Selinunt (Selinus) liegen allein sechs Peripteralifempel in 'l'rüm-
mern, drei in der Stadt (auf dem östlichen Hügel) und eben so viele auf
der Burg (dem westlichen Hügel), an denen sich eine besonders schwere
Behandlungsweise des dorisehen Styles bemerklich macht. Kurz und stiim-
mig sind die Säulen, mit übermiissiger Verjüngung und Ansehwellung; sehr
weit ausladend, in fast horizontaler Linie vorspringend der Eehinus, dessen
Form durch eine Einbiegung des Säulenhalses noch schärfer heraustritt.
Auch die kleineren Glieder, die Ringe des Halses , die 'l'riglyphen und die
Platten der Viae zeigen eine derbe Behandlung. Die Anstrengung der
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21 zu Selinunt.
stützenden, die YVueht der getragenen Glieder ist noch zu hart, zu mühe-
voll ausgesprochen; es fehlt noch die leichte Anmuth , welche , indem sie
die grössten Schwierigkeiten überwindet, den Schein eines reizenden Spieles
anzunehmen weiss. Einer von diesen 'l'empeln, der nördliche Stadttempel,
unter den sicilischen der grösste, ist ein hypiithraler Pseudodipteros von
mächtigen Dimensionen; er misst 161 Fuss Breite bei 367 Fuss Länge.
Dieser Tempel, vermuthlich ein Heiligthum des Zeus, war bei der Erobe-
rung von. Selinunt durch die Kurthager im J_ 409 noch nicht vollendet;
seine Säulen sind auch später niemals fertig geworden, du ihnen fast durch-
gängig die Canellirung noch fehlt. Sein Peristyl hat der einzige unter
allen sicilischen Monumenten acht Säulen in der Front; an den Lang-
seiten stehen siebzehn Säulen. Abweichend erscheint auch, dass der mit
zwei Säulen in antis gebildete Naos eine Prostasis von ungewöhnlicher Tiefe