Erstes Kapitel.
Griechische Baukunst.
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erweitern, mancherlei allegorische Embleme, Köpfe, Thiere, hieratische
und andere Attribute mit den übrigen Formen zu verbinden und so eine
Fülle von geistreichen und schönen Gestaltungen hervorzurufen. Eins der
schönsten Werke dieser Art ist das Antenkapitäl aus der Vorhalle des
Tempels zu EleusisxFig. 65) , das wir nach der Restauration Bötticlaerls
geben.
Das Gebälk des Architravs ist nach dem Vorgange des ionischen Awhitrßv-
dreifach getheilt, nur pflegen die feinen Astragale, welche die einzelnen
Theile verknüpfen , hier reicher als Perlenschnüre oder gar mit Kymatien
charakterisirt zu sein. Der Fries ist gleich dem ionischen eine zusammen- Friss
hängende Fläche, zur Aufnahme von Bildwerken bestimmt. Eben so wenig
hat der korinthische Styl ursprünglich ein eigenthümlich gebildetes Kranz-
gesims gehabt. Bei den Griechen nahm man ohne Zweifel, wie das Mo-
nument des Lysikrates und der Thurm der WVinde noch bezeugen, die Form
des ionischen Geison mit den Zahnschnitten auf. Im Laufe der Zeit, be-
sonders als die griechischen Formen in den Dienst der prachtliebenden
Römer kamen, bildete man aber die Zahnschnitte zu schwereren, weiter
ausladenden Mutuli (Kragsteinen oder Consolen) aus, die in geschwungener
Form mit kräftigen Voluten enden
Fig- 66- und an deren Unterseite sich ein
Akanthusblatt mit zierlich umge-
schlagener Spitze legt (Fig. 66).
A Ist hierdurch wiederum in derberer,
lä realerer Weise das Vorspringende
des Gliedes charakterisirt, wie es
L; beim dorischen Bau die Viae, beim
ionischen die Zahnschnitte aus-
i" L'll drücken, so wird in den weiten
i Zwischenräumen der Kragsteine das
Korinthisches Kranz0esims_ Schwebende durch. rosettenartig
von der Vorhang des Plmtheon. sculplrte Blumen versinnlicht. Hier-
durch wurde eine reichere, leben-
digere Schattenwirkung, ein kräftigerer Abschluss erreicht. Dass man hier,
wie auch besonders an den Säulenkapitälell, gerade das Akanthusblatt
gewählt hat, lässt sich wohl theils durch die kräftig zähe Beschafenheit
desselben, theils durch die graziöse Zeichnung seines tief ausgebuchtetcn,
fein gezahnten Blattrandes erklären. Die Bemalung der korinthischen Bemalung-
Bauglieder wird wohl, bei dem bedeutenden Uebergewicht der Sculptur,
noch massiger gehandhabt werden sein 7 als an den ionischen Formen , da
einer S0 Vorwiegend nach realer Charakteristik strebenden Bauweise die
idealere, bloss andeutende Art der Malerei nicht genügen konnte.
Neue Stylgedanken, neue Planformen oder Constructionsweisen haben Charakter der
wir also hier nicht gefunden. In der That war in dieser Hinsicht durch den koäfiträicäe"
dorischen und ionischen Styl der innerhalb der griechischen Bildung mög-
liche Ideenkreis vollständig erschöpft. Daher konnte nur noch eine aus den
Elementen Beider gemischte, bloss mit neuen Ornamentformen auftretende
Bauweise hinzukommen, die aber gerade wegen ihres Eklekticismus, ihrer
leichten Anwendbarkeit und ihrer glänzenden Ausstattung für die Folgezeit
von hoher praktischer Bedeutung wurde.
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