180.
eigentliche
rentik.
Westen.
Mittelalter
Neuzeit.
und
Die Barbarei und grundsatzlose Zerfahrenheit der weströmisch-
frühchristlichen Kunst gegenüber jener gesetzlichen Basis, welche
sie frühzeitig in Byzanz gefunden hatte, war, wie letztere, Folge
und Ergebniss allgemeiner religiöser, politischer und socialer Zu-
stände, welche ungünstig auf sie wirkten, sie in Mitleidenschaft
zogen. Dieser Zustand ihrer Auflösung war aber zugleich die
nothwendige Vorbedingung ihres Wiedererwachens, während sie
iin Orient, unter den Fesseln des Handwerks und kirchlicher so-
wie höfischer Satzung für immer erstarrt, nur nach einer Seite
hin, nämlich der asiatisch-ornamentalen, durch den Islam be-
fruchtet, neue Keime aus sich entwickeln konnte.
In gleichem Verhältnisse wie die Künste sollte sich die ge-
sammte westliche freie Geisteskultur dem Schosse jener allge-
meinen Anarchie entwinden, welche über den Westen verhängt
war. Diese gesetzlosen Zustände waren das Gegentheil des byzan-
tinischen Erstarrungsprocesses, Waren der gleiche chaotische Ur-
schlamm, aus dem, unter ganz ähnlichen Umständen und äusseren
Einwirkungen, die schöne Welt des freien Hellenenthums sich
gestaltet hatte. Auch, damals sollten halbverschollene Ueberlie-
ferungen einer aller gesetzlichen Basis bcraubten, gleichsam im
Zustande allgemeiner Auflösung und Erweiehung begriffenen bil-
denden Kunst, nicht die trockene ägyptische Kunstmumie die
Keime des neuen Lebens in sich aufnehmen. Aber auch da-
mals wäre, ohne den Gegensatz des unfreien Acgyptens und an-
dererseits auch ohne dessen formal-gesetzlichen Einfluss, der grie-
chische Genius nie zum Bewusstsein seines Zieles gelangt, hätte
er es niemals erreicht. Gleiche oder ähnliche Wirkungen recht-
fertigen in der Regel die Voraussetzung gleicher oder ähnlicher
Ursachen; Thatsaehen, so weit sie sich verfolgen lassen, be-
stätigen diese Voraussetzung für den gegebenen Fall.
Während die Künste und Wissenschaften im tiefsten Verfallß
begriffen waren, wurde in den ehemaligen Provinzen des west-
lichen Reichs, in Folge einer mit dem Verfall wachsenden barba-