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Elftes
Hauptstück.
Wir berühren zunächst kürzestens jenen byzantinischen Typus,
theils weil in ihm zuerst eine Neugestaltung hervortritt, theils
wegen der Anhaltspunkte, die er für die Charakteristik gewisser
Erscheinungen der Geschichte der westlichen Kunst bietet, theils
wegen seines Zusammenhanges mit der gesammten, für die Stil-
theorie so wichtigen orientalischen Kunst.
Byzantinischer Stil ist verorientalisirter, nach einem raschen,
durch Sprünge und Gegensätze bewerkstelligten Kreislaufe auf
seinen morgenländischen Ursprung zurückgeführter griechisch-
römischer Stil, eine Renaissance der Prinzipien, die der ältesten
vorhellenischen Kunst als Grundlage dienen.
Es kann nicht unsere Absicht sein, diesen Satz hier vollständig
durchzuführen, wozu erforderlich wäre, die byzantinische Kunst
in ihrem Gesammtauftreten zu betrachten, und zwar als Ergebniss
der besonderen Verhältnisse und Richtungen jener Zeiten und
aller anderen Einflüsse, die dazu mitwirken mussten. Vielmehr
wollen wir unseren Stoff nicht verlassen, aber zeigen, dass eine
eigenthümliche Art seiner Behandlung und er selbst, insofern diese
Behandlungsart seinen Eigenschaften entspricht, die wichtigsten
materiell-technischen Bedingungen des byzantinischen Ausdrucks
enthalten.
Wie der hohe Stil der Phidias und Polyklete durch eine Ver-
mittlung beider hellenischen Bildnerschulen, der plastischen und
toreutischen oder stereotomischen, durch höhere Auffassung beider
Tendenzen bedungen war, wie in dieser Verbindung der helle-
nische Kulturgedanke nur den ihm adäquaten höchsten und rein-
sten bildnerischen Ausdruck gewinnen konnte, so bildete sich,
nachdem durch mehrere Jahrhunderte der realistisch-üppige, vor-
Dame Namens Protecta aus dem 4ten oder öten Jahrhundert angehörig, jetzt
in der Schillersheimer Sammlung, einige gallo-romanische und britto-romanische
Silbergeschirre. Mehr barbarisirte antike Kunst mit noch heidnischen Emblcmen.
Visconti, Lettere 34 su di una antica Argenteria. Roma. 4. 1793. Siehe auch
Agincourt und Cicoguara. Byzantinisek-orientalische Technik verrathen schon
gewisse lombardische und fränkische Alterthümer, z. B. die Krone der Königin
Tllßßdßlillda (T 616), eine Art Bandkette, mit Cabochon-Edelsteinen besetzt,
dazwischen aus Gold getriebene Blumen; die (jetzt verschwundene) Krone des
Lombardenkönigs Agilulf mit 15 kleinen Reliefüguren aus Gold in ebenso
vielen Zwergarkaden; die durchsichtig emaillirten Ueberreste des angeblichen
Waüenschmucks Königs Childerich, Vaters des Chlodwig, gefunden in einem
Grabe bei 'l'0urnay. Magasin pittoresque. Jahrg. 34. pag. 272. Montfaucon.