Stereotomie
(Steinkonstrulstiun).
'l'echuisch-Historisuhes.
467
halten, oder wäre sie unter den Trümmern Athens und Kleinasicns
erstanden; wie denn wirklich mit der Nachahmung jener klassischen
Werke alter Kunst und der sieh an sie klammernden Kunstkritik
die Baukunst ihre schöpferische Unbefangenheit verloren hat.
Vitruv, im vierten Kapitel seines vierten Buchs, führt an, einige
der alten Architekten hatten die dorische Ordnung als fehlerhaft
und unbequem verworfen, unter ihnen Argelius, der Architekt
des Aeskulaptempels zu Tralles, Pythius, der Erbauer des Athene-
tempels zu Priene und des Mausoleums zu Halikarnass, Hernio-
genes, der berühmte Baumeister des magnetischen Tempels der
Artemis Leukophryne und des Bakchustempels zu Teos. Dieser
habe sogar, als zu Teos das Material für einen dorischen Bau
schon vorbereitet war, es uinarbeiten lassen und den Tempel in
ioniseher Weise damit aufgeführt, „nicht sowohl weil es der
dorischen an Schönheit und Würde gebreche, sondern
weil sie bei d er Einth eilung der Triglyphen und Decken
manniehfaehe Schwierigkeiten biete." Obschon sich diese
Notiz nur auf asiatische Tempel bezieht, so beweisen doch die
allerdings seltenen Bauüberreste auf alt-hellenischem Boden aus der
Periode kurz vor und während der makedonischen Herrschaft, in
welche die Tlhätigkeit jener Architekten fällt, das's zu dieser Zeit
überall an der dorischen YVcise nur noch äusserlich festgehalten
wurde, wonach dann die nicht mehr innerlich begründeten Struk-
turschranken, welche sie auferlegte, bald zivecklos und lästig
erscheinen und dem Zeitgeiste zum Opfer fallen mussten.
Was daifüi" zunächst an die Stelle trat war aber seinerseits
nicht minder gebunden, wenn auch in andrer Art, nämlich durch
die iVidersprüche die aus der pcripterischen Anwendung des ur-
sprünglich fricslosen und lIYPOSlZYlBII ionischen Säiulengerüstes her-
vorgingen, Welche Selbst die höchste Kunst der Griechen niemals
ganz zu überwinden vermochteß Wie also einmal die Gegen-
sätze zwischen Dorismus und Ionismus ihre politisch-ethische Be-
deutung verloren hatten, war auch der ionischen Weise nach glei-
chen Zwecklichkeitsgründen das Urtheil gesprochen; dessen waren
sich wahrscheinlich schon jene genannten Meister der ionischen
lDie Auskunftsmittel zu denen man zu greifen sich genöthigt sah, um den
Volutenknauf der peripterisehen äusseren und (ler peristylen inneren Ecksäulc
anzupassen, nebst anderen ähnlichen sind sännntliuh als misslungen zu bu-
irachten. Siehe K. Böttichefs Ionica S. 10 u. 1T. Auch 'l'afel 29 u. 33.