Stereotomie
(Steinkonstruktion).
Technisein-Historisches.
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den kräftigen dorischen Echinus (allerdings mit plastischen Eier-
stabsverzierungen) der zur Aufnahme eines ionischen Polsters viel
zu stark erscheint und wahrscheinlich einen quadratischen dori-
sehen Abakus trug, der aber leider nicht mehr nachgewiesen
werden kann. Sonst würden wir mit grösster Zuversicht in dem
samischen Bau-Üeberreste ein Beispiel alt-ionisch-dorisirenden
Tempelstyls erkennen. 1
Dieser wahrscheinlich noch pseudodipterische 2 Tempel wurde
etwas früher gebaut als der noch berühmtere der Artemis zu
Ephesus, bei dessen Gründung der zweiteArchitekt des Heräurns
zu Samos, Theodoros, zu Rathe gezogen wurde. 3 Dieser war
schon vollständig ionisch und wahrscheinlich der erste an Welchem
die Volutensaule mit ihrem architravirten Gebälk (die ursprüng-
lich innerliche Säulennorm) eine peripterische Anwendung fand, viel-
leicht auch der erste Tempel mit steinernen Deckenbalken, wess-
halb man für nöthig erachtete, die sogenannte pseudodiptere ältere
Anlage zu verlassen (weil sie für ein solches steinernes Decken-
gebalke nicht berechnet, sondern bestimmt War, eine Holzdecke
aufzunehmen) und durch Zwischenstellung einer zweiten inneren
Säulenreihe in eine diptere umzuwandeln. Desshalb wurde das
Verfahren des FortschaEens und Versetzens der Wahrscheinlich
zu diesem Tempel zuerst verwandten gewaltigen Steinbalkent
mit Recht Gegenstand genauer technischer Erörterungen, 5 die ge-
wiss schon an den Bau des älteren und nicht viel kleineren He-
räums geknüpft worden wären, wenn bei diesem die Steindecke
des Pterons bereits Anwendung gefunden hätte.
1 Vielleicht mag auch der Tempel auf Cap Sunium noch dem alten dorisch-
ionischen Tempelkanon entsprechen, wenn schon in späterer attisch-dorischer
Wiederaufnahme und Weiterbildung desselben.
zEtwa wie der Tempel des Zeus Olympius zu Selinos und die übrigen
ältesten Tempel daselbst.
5 Die Thätigkeit der Architekten Rhoekos und Theodoros wird von Thiersch
auf Grund einer Notiz im Plinius bis in die Zeit lange vor Ol. 30 also bis
in den Anfang der heraklischen Zeitrechnung zuriickverlegt, aber im Wider-
spruch mit ihm verlegen Welker und nach ihm Brunn den ephesischen Tem-
pelbau in die Zeit kurz vor Krösos (um Ol. 50). Welker ad Philostrat. p. 196.
Brunn Gesch. der Gr. Künstler. Band 1. S. 32.
4 Nicht Arßllitrave, die schon früher aus Stein ausgeführt wurden.
5 Sollten diese Memoiren. wie vermuthet wird, nicht von den Architekten
des TempClS (CheTSiphrnn und Metagenes) selbst herrühren, sondern später
geschrieben worden sein, so würde dadurch nur die Annahme, dass der ephe-