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Hauptstück.
Zehntes
dekorativen Ausstattung für die uns hier beschäftigenden Fragen
höchst interessant sind, wir übergehen sie wegen ihres noch nicht
genügend konstatirten hohen Alters. Dafür dürfen die durch
Fellows, Texier, Falkener u. a. neuerdings erst zu genauerer
Kenntnissnahme gebrachten ionischen Steinmonumente Lykiens
unsere Aufmerksamkeit ungetheilt in Anspruch nehmen. Sie sind
vielleicht die einzigen erhaltenen früh-ionischen Monumente,
da mit Ausnahme der wenigen Ueberreste des samischen
Hereheiligthums wahrscheinlich unter den bis jetzt entdeckten
ionischen Bauwerken kein einziges über das 5. Jahrhundert hin-
ausreicht, während die Glanzperiode dieses Stils schon mit dem
Ende des 7ten Jahrhunderts beginnt.
Die Felsenfacaden zu Telmessos, Antiphellos und Myra in
Lykien sind ionisch in Beziehung auf gewisse charakteristische For-
nienelemente, aber diese treten hier noch in Verbindung mit anderen
Elementen auf, die der ionische Stil entweder ganz ausschied oder
doch bis zur Unkenntlichkeit umbildete. Die Unsicherheit in den
Verhältnissen und in der Behandlungsweise der Einzelnfornien,
die an diesen Gebilden hervortritt, lassen sie uns dem ersten
flüchtigen Eindrucke nach als handwerksmässig missverstandene,
späte Reminiscenzen, als rohe barbarische Nachahmungen grie-
chisch-ionischer Vorbilder erscheinen, aber bei genauerer Prüfung
verrathen sie ganz im Gegentheile das entschiedenste Gepräge des
Ursprünglichen, Welches, verbunden mit jenen archaischen und
fremdartigen Beimisehungen, und dem noch asiatischen Typus
einiger darauf befindlicher Skulpturen und Bildwerke, uns nöthigt,
in ihnen Beispiele einer firühionisehen Bauweise zu erkennen.
Steintektonik.
Ionische
Es scheint, dass sich die eigentliche ungemischte Steintektonik
in den ionischen Kolonialstaaten Kleinasiens sofort in den riesen-
haftesten Dimensionen bcthätigte, wenigstens knüpfen sich die
ältesten bestimmten Nachrichten darüber an die Anlage kolossaler
Tempel, deren Baugesohichte angeblich durch die ausführenden
Architekten selbst der Nachwelt schriftlich mitgetheilt worden
sei. Obschon nichts davon auf uns gekommen ist, so haben sich
doch durch spätere Schriftsteller, besonders durch Vitruv, einige
wichtige Notizen daraus erhalten. Durch sie kennen wir die
Namen ihrer Erbauer, ihre allgemeine Plananlagc, sogar einzelne