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Zehntes
Hauptstück.
gezimmers. Ich glaube in der Keramik und in der Tektonik schon
genügend gezeigt zu haben, dass die Einzelnsäule, das ist die
einen geweiheten Gegenstand tragende Stele, Vorbild der ge-
reiheten Steinsaule War, welcher Satz für sich allein einen ganzen
Wust falscher Theorien und ästhetischer Bedenken beseitigt.
Bei diesem Mangel an autentischen Werken der frühesten gräko-
italischen Steintektonik ist der toskanische Kanon des Tempel-
baus, den uns Vitruv gibt, von wichtigem Interesse. (S. Farben-
druck Tab. XIII.)
Er entspricht gewiss ältester gräkoitalischer Bautradition und
ist noch gemischt, nur die Stützen seines Gezimmers sind muth-
niasslich Stein, die gestützten Theile bckleidetes und mit Mauer
ausgesetztes Holzwerk. Die Säulen sind Weit gespreizt, von
mittlerer Höhe (7 Durchmesser) und stark verjüngt, die Details
(der Basis und des Kapitals) denen der späteren römisch-dorischen
Säule ganz oder nahe zu gleich. Das Gebälk hat die halbe Höhe
der Säule, darauf ein hohes Fastigium. Als Uebergangsschema
gibt er einen Ausgangspunkt für die Geschichte des dorischen Stils.
Kaum minder wichtig für die Kenntniss der Frühperiode des
gräko-italischen Säulenbaus sind die ältesten Vasengemälde, wor-
auf Gebäude vorkommen. Wenn man die daneben befindlichen
figürlichen Darstellungen mit den Skulpturen der ältesten Stein-
tempcl zusammenhält, möchte man unter ihnen manche für älter
halten als letztere. Die dargestellten Baulichkeiten 1 zeigen ein
untermischtes Zusammentreten griechischer Formenelemente, die
auch spätere Geltung behielten, mit anderen, die nachher
ausgeschieden wurden, deren Sonderung also zu der Zeit der
Ausführung dieser Zeichnungen noch durch keine bestimmte
Norm geregelt war, z. B. ionisches Gestütz mit dorischem Tri-
glyphengebalk und umgekehrt, die ägyptische Hohlkehlenbekrö-
nung statt der Hängeplatte u. a. m. Dabei schwankende Formen
und Verhältnisse der hervorragendsten Bauglieder, des dorischen
Echinus, des ionischen Volutenkapitäls, der Säulenfüsse, des dori-
schen überfallenden Blattes u. s. w. Ausserdem ist der weite Ab-
stand zwischen den ziemlich hochstämmigen oben zum Theil stark
1 Diese Darstellungen mögen noch so unbeholfen und im Einzelnen in-
korrekt sein, so halten doch grade die ältesten darunter die allgemeinen Typen
des Vorgestellten fest, zeichnen sie sich aus in der treuen Sorgfalt der Be-
lumcllnxxg des Beiwerks, das der vollendete Stil bekanntlich zurücktreten lässt,