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Zehntes
Hauptstück
passim in dieser Schrift bereits geäussert wurde, darf ohne noch-
malige Begründung als Thatsaehe gelten, dass die Tradition des Be-
kleidens der llolzgeriiste mit anderen Stoffen (Metall, Terralmtta,
Brett) dem architektonischen Formensinn in Beziehung auf Monu-
mentalgezitnmer eine allen alten Kulturvölkern gemeinsame Richtung
gab, oder auch, dass dieser Sinn für vollere Formen als das nackte
Holzgerüst gestattet a priori die Bekleidung des letztern zu seiner
Befriedigung erfand, aus ästlietisch-dynamischen Gründen. Vielleicht
mögen beide Auffassungen gleich richtig sein, wenigstens führen
sie auf denselben Schluss, wonach die traditionellen vor der Stein-
tektonik üblich gewesenen Kunstformen und Verhältnisse bei dem
Wechsel des Baustoffe nur geringe Veränderungen bedurften, um
den Eigenschaften des Steins gerecht zu werden. Aber die Monu-
mentenkunde belehrt uns zugleich über die in dieser Aufgabe,
die nach ihrer Lösung so leicht und einfach erscheint, enthaltenen
Schwierigkeiten, bestätigt die ausserdem geschichtlich beglaubigte
späte Aufnahme der iungemischten Steintektonik, in allen Län-
dern, mit Ausnahme Aegyptems, WO sie schon Jahrtausende vorher
ihre Lösung fand, aber in so eigenthümlicher satzungsmäissig be-
schränkter Weise, dass auch in dieser Frage das pharaonische
Aegypten isolirt steht und hauptsächlich nur der Gegensätze wegen,
die es bietet, für dieselbe Bedeutung hat.
Die Autoren verlegen die Erbauung der ältesten griechischen
Steintempel in die Zeit um Olymp. 40, aber von den erhaltenen
ungemisehten hellenischen Steinstrukturen, ist wohl kaum eines
was schon aus dieser Zeit datirt. Dennoch geben sie alle, bis zu
den Werken der höchsten Kunstblüthe Griechenlands herab, eine
auffallende Unsicherheit und ein Uebergehen von einem Extreme
zum andern, ein Suchen nach den richtigen dem Steinstile ent-
sprechenden Verhältnissen zu erkennen. Auch sind die wenigsten
darunter als vollständig ungemischte Steinstrukturen zu bezeich-
nen, da meistens die letzte Folgerung der Idee, die steinerne
Balkendeeläe, noch fehlt.
Wir werden auf sie zurückkommen, aber vorher versuchen,
auf noch älterem Kulturboden über den Entwiicklungsgang der
Steintektonik einige Daten zu gewinnen.
In dem Schutt der ehaldäisch-assyrisehen Paläste finden sich kaum
vereinzelte unsichere Spuren 1 einer bei ihnen angewandten Stein-
' Man fand Ueberreste von Backsteinsiiulen und im Schutte einer baby-