Volltext: Keramik, Tektonik, Stereotomie, Metallotechnik für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst ; mit 239 in den Text gedr. Holzschn. und 5 farb. Tondrucktaf. (Bd. 2)

395 
Zehntes 
Hauptstück  
passim in dieser Schrift bereits geäussert wurde, darf ohne noch- 
malige Begründung als Thatsaehe gelten, dass die Tradition des Be- 
kleidens der llolzgeriiste mit anderen Stoffen (Metall, Terralmtta, 
Brett) dem architektonischen Formensinn in Beziehung auf Monu- 
mentalgezitnmer eine allen alten Kulturvölkern gemeinsame Richtung 
gab, oder auch, dass dieser Sinn für vollere Formen als das nackte 
Holzgerüst gestattet a priori die Bekleidung des letztern zu seiner 
Befriedigung erfand, aus ästlietisch-dynamischen Gründen. Vielleicht 
mögen beide Auffassungen gleich richtig sein, wenigstens führen 
sie auf denselben Schluss, wonach die traditionellen vor der Stein- 
tektonik üblich gewesenen Kunstformen und Verhältnisse bei dem 
Wechsel des Baustoffe nur geringe Veränderungen bedurften, um 
den Eigenschaften des Steins gerecht zu werden. Aber die Monu- 
mentenkunde belehrt uns zugleich über die in dieser Aufgabe, 
die nach ihrer Lösung so leicht und einfach erscheint, enthaltenen 
Schwierigkeiten, bestätigt die ausserdem geschichtlich beglaubigte 
späte Aufnahme der iungemischten Steintektonik, in allen Län- 
dern, mit Ausnahme Aegyptems, WO sie schon Jahrtausende vorher 
ihre Lösung fand, aber in so eigenthümlicher satzungsmäissig be- 
schränkter Weise, dass auch in dieser Frage das pharaonische 
Aegypten isolirt steht und hauptsächlich nur der Gegensätze wegen, 
die es bietet, für dieselbe Bedeutung hat. 
Die Autoren verlegen die Erbauung der ältesten griechischen 
Steintempel in die Zeit um Olymp. 40, aber von den erhaltenen 
ungemisehten hellenischen Steinstrukturen, ist wohl kaum eines 
was schon aus dieser Zeit datirt. Dennoch geben sie alle, bis zu 
den Werken der höchsten Kunstblüthe Griechenlands herab, eine 
auffallende Unsicherheit und ein Uebergehen von einem Extreme 
zum andern, ein Suchen nach den richtigen dem Steinstile ent- 
sprechenden Verhältnissen zu erkennen. Auch sind die wenigsten 
darunter als vollständig ungemischte Steinstrukturen zu bezeich- 
nen, da meistens die letzte Folgerung der Idee, die steinerne 
Balkendeeläe, noch fehlt. 
Wir werden auf sie zurückkommen, aber vorher versuchen, 
auf noch älterem Kulturboden über den Entwiicklungsgang der 
Steintektonik einige Daten zu gewinnen. 
In dem Schutt der ehaldäisch-assyrisehen Paläste finden sich kaum 
vereinzelte unsichere Spuren 1 einer bei ihnen angewandten Stein- 
' Man fand Ueberreste von Backsteinsiiulen und im Schutte einer baby-
	        
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