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Neuntes
"l auptstück.
Basiliken den Grundton an, Wonach der räumliche Gedanke
struktiv-formalen Ausdruck gewinnt. Man darf sagen, das Wesen
des so grossartigen Römerstils, mit dem die Baukunst in eine
ganz neue Bahn tritt, die sie noch erst vollenden soll, da das
Mittelalter und selbst die Renaissance sie auf Seitenwege führten,
beruht auf der architektonisch-räumlichen Verwerthung der auf
den Hoehbau angewandten Hohlstruktur des F undamentbaus. Wie
dieses Prinzip, das dem Erddruck seinen Ursprung verdankt, in
dem Gesammtwerke sich ausspricht, in gleicher Weise tritt es
auch im Einzelnen hervor; die Füllmauer, das sogenannte Em-
plekton, das acht römische Mauerwerk, das auch im ganzen
Mittelalter das übliche bleibt, ist z. B. eine Konsequenz des glei-
chen Prinzips und ihm gemäss zu beurtheilen und zu behandelnf
1 Eine leider sehr verdorbene Stelle Vitruvs (II. 8) gibt hierüber interes-
sante Aufschlüsse. Offenbar kennt er die beiden Kanons der Steinstruktur;
denn er bespricht zuerst die beiden seiner Zeit üblichen Strukturen, die dem
kyklopischen oder (nach Euripides) phönikischen Kanon angehören, nämlich
das sogenannte opus reticulatum und das opus antiquum, auch incertum ge-
nannt. Beides sind Reduktionen oder Verschrumpfilngen des Polygonbaus.
Dann erst geht er auf das opus quadratum über. Das Netzgemäuer (opus
reticnlatum, kleine kubische Tuffsteine, die im Diagonalverband stehen, be-
kleiden einen Kern von Gusswerk) war gegen das Ende der Republik und
unter den ersten Kaisern üblich und wird mit Unrecht von Vitruv und Pli-
nius als unsolid getadelt, da grade derartige Römerstrukturen, die niemals
ohne die nöthige Umrahmung mit horizontalgelagertem Mauerwerk gefunden
werden, sich am besten erhalten haben. Sie folgen nämlich, gleich wie die
Bruchsteinstrukturen, welche Vitruv unter dem opus ineertum oder
antiquum versteht, dem kyklopischen Kanon und bieten im Prinzip dessen
Vortheile (worüber oben S. 356), indem die Bindekraft tredlichen Puzzuolan-
mürtels hier die Stelle der Schwerkraft vertritt, die an jenen mächtigen alten
Polygonwerken das alleinige bindende Prinzip ist. Die hohlen Zwischenräume
der so gebildeten Wände werden gewöhnlich unordentlich mit Steinen und
Kalk ausgestampft (ealcata), aber besser ist es, sie mit Ziegeln oder lager-
rechten Steinen (silieibus ordinariis) auszusetzen und mit Ankern zu verbin-
den. Nun geht Vitruv zum Kanon der Griechen über. Das aus weichem
Steine konstruirte und geputzte Bruchsteingemäiler sei bei ihnen nicht üblich,
sondern die reine Arbeit entweder aus Quadern oder aus kleineren lager-
rechten harten Steinen. Das Gemäuer sei entweder massiv, d. h. aus lauter
WVerkstiicken gefügt, oder innerlich ausgefüllt. Das erstere heisse das iso-
dome (gleiehsehiehtige) Gemäuer und sei zweierlei Art; man unterscheide
nämlich vom gleiehschichtigen Gemäuer dasjenige aus abwechselnd hohen
und niederen Schichten und nenne letzteres pseudisodomes (scheinisodomes)
Gemäuer.