Stereotomie
(Steinkonstruktion).
Zwecklich-Formelles.
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Die Rhythmik des Quadergeflechtes erhält eine konstruktiv-
begründeteBereicherung durch die Abwechselung von Streckern
und Bindern, deren letzterer Stirnflächen gewöhnlich der quadra-
tischen Form Sieh annähern. Durch diese einwärts bindenden
Elemente erhält die Mauer einen Zuwachs an innerer struktiver
Thätigkeit, die ihr ein gewisses Leben verschafft, wenn sie sich
sichtbar versinnlicht. Wenn sich irgend dekorative Auszeichnung
an Quadern rechtfertigen lässt, so scheint es an diesen Kopfsteinen
der Fall zu sein; welches die Alten wohl erkannten, wie aus
einigen gemalten Quaderwänden mit dekorirten Stirnquadern her-
vorgeht. Man darf sie wie Kopf enden (Prokrossoi) eines inneren
Geschränkes betrachten und darnach behandeln, worüber der
g. 134 der Tektonik nachzusehen. Die Eckverstärkungen von
Quadermauern lassen sich mit jenen Stirnquadern vergleichen und
als eine emporsteigende Reihe der gleichen Art behandeln, was
sie auch in Wirklichkeit sind. Doch sapienti sat, es bleibe dem
Leser überlassen, diese Andeutungen nach Belieben weiter zu
verfolgen.
Es wären noch die verwickelteren Verbände der Quadermauer
zu besprechen, Kombinationen, deren Anzahl sich beliebig er-
weitern lässt. Man kann durch die Wahl, die man unter ihnen
trifft, den Charakter eines Gebäudes heben oder stören. Die
Alten zeigten auch hierin ihren Sinn für einfache Rhythmik; die
neueren Stile dagegen verrathen in diesem Falle wie in ähnlichen
Fällen eine mehr romantisch musikalische Hinneigung für rei-
chere Abwechslung rhythmischer Kadenzen, Intervallen, Cä-
suren und dergl. Vergl. Prolegomena S. XXVIII.
Wir hätten noch das ganze Gebiet der Wandbekleidung durch
mosaikartig eingelegte oder angeheftete Steine, Kacheln u. drgL,
sowie besonders auch die Fussbodentäfelung und selbst das Dach
mit seiner schuppenartigen Struktur, als stereotomische Werke
in den Bereich dieses Paragraphen zu ziehen. Aber in der teXtilen
Kunst ist das Betreffende bereits erörtert worden, worauf hier
verwiesen wird. -Nur sei bemerkt, dass die Verkettung der Ele-
mente dieser Bekleidungen durch Versetzung der Fugen keine
struktive Nothwendigkeit ist. Die Alten erkannten den bezeichneten
Unterschied und hoben ihn heraus, indem sie z. B. ihre grossen,
meistens länglicht viereckigen Filssbodenplatten (auf Märkten, in
Tempelhöfen etc.) niemals im Verband versetzten, sondern mit