Volltext: Keramik, Tektonik, Stereotomie, Metallotechnik für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst ; mit 239 in den Text gedr. Holzschn. und 5 farb. Tondrucktaf. (Bd. 2)

Stereotomie (Steinkonstruktion). 
Zwecklich-Formelles. 
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Nothwendigkeit und lokale Verhältnisse an und für sich vorschrei- 
ben, dem Schönheitssinne entsprechend zur Schau gelegt. 
Die Schwerkraft und die Resistenz der Materie gegen dieselbe 
sind die nächsten und vornehmsten hier wirksamen Potenzen; es 
ist klar, dass diese letzteren an Thätigkeit Wachsen, je mehr die 
Last zunimmt, also von oben nach unten. 
Die stufenweise Verminderung der Mächtigkeit der Strukturele- 
mente von unten nach oben, die an den besseren im Quaderstile 
ausgeführten Kunststrukturen überall wahrgenommen. wird, ent- 
spricht daher zugleich dem Schönheitsgesetze und dem dynamischen. 
Hieran schliesst sich ein anderes, zugleich struktives und ästheti- 
sches Gesetz, das der Gleichheit der Elemente, die gleich 
und gleicherweise thätig sind. Also bei stufenweiser Ver- 
minderung der Dimensionen in Absätzen muss jeder Absatz aus 
möglichst gleichen und ähnlichen Elementen bestehen. 
Das sogenannte pseudisodorne 1 Gemäuer der Griechen, das 
abwechselnd aus hohen und niedrigen Quaderschichten gleichen 
Stoffs besteht, wäre nach diesem Grundsatze stilwidrig. In der 
That kommt es nur an späten Griechenwerken (aus alexandrini- 
scher Zeit) vor, wie an dem Piedestale vor den Propyläen der 
Akropolis. Es wurde, in polylither Ausführung, ein Lieblings- 
motiv dekorativer Konstruktion im frühen Mittelalter, 2 vorzüglich 
in Byzanz, von wo aus es sich nach Osten und Westen verbrei- 
tete (Venedig, Messina, Pisa, Florenz). In dieser polylithen Aus- 
führung erscheint es mehr gerechtfertigt, weil die Farbenabwechs- 
lung eine Verschiedenheit der angewandten Steinarten kund gibt, 
die also auch voraussetzlich verschiedene Tragfahigkeiten besitzen. 
Die harten Steinsorten sind in der Mehrzahl dunkel, wesshalb das 
Gefühl bei Steinen die schmalen Schichten dunkel wünscht. 
Anders und umgekehrt bei gemischten Stein- und Ziegelwänden. 
Nach demselben Gesetz müssten auch die Längen der Quader, 
1 Ich glaube, dass Vitrllv und Wahrscheinlich nach ihm Plinius diesen 
gr. Kunstausdruck fälschlich für das hier gemeinte Mauerwerk anwenden. 
Pseudisodom war wohl ein scheinbares (falsches) Isodom, also quader- 
bekleidetes Füllungsgemäuer, wie am Eleusinium und den Substruktionen des 
Olympiums zu Athen. Er wäre also gleichbedeutend mit Emplekton. 
2 Am Dome zu Pisa sind die niedrigen Schichten an den Ecken mehr 
durch den Mauerdruck geschädigt als die hohen, was auch an vielen anderen 
Orten hervortritt und das im Texte Angeführte bestätigt. 
Semper, sm n. 47
	        
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