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Hauptstück.
Neuntes
mineralische Gesetz, das im Gemäuer thätig ist, zwar künstlich
aber zugleich naturgesetzlich ausdrücken. Meines Wissens waren
sie den Alten unbekannt. Die Frührenaissanee wusste sie auf
das Beste zu verwerthen.
Bei den sogenannten Polsterspiegeln , die nach bestimmter
Chablone sich nach allen Seiten abwölben, drücken zu weit aus-
ladende und zu weiche gleichsam hervorquillende Profile, statt
die Spannkraft zu veranschaulichen, wie sie es sollten, vielmehr
ein kissenartiges Nachgeben des zwischen der Last und der Unter-
lage gleichsam gequetschten Steins aus. Es verhält sich damit
wie mit dem dorischen Echinus, dessen Gesetz und Geschichte
hier Berücksichtigung verdienen. (Siehe auch im Folgenden über
ionische Kapitale.)
x Die flachen ganz ebenen Spiegel mit abgeschrägten Seiten-
flächen, die sich in der Fuge begegnen, sind den Diamantquadern
verwandt, aber minder ausdrucksvoll.
Wirksamer sind die ebenen Spiegel, wenn sie nicht abge-
schrägt sind, sondern wenn ihre Vorsprungflächen scheitrecht auf
die Mauerfläche stossen, wegen des scharfen Schlagschattens, den
sie werfen. Sie wurden von Griechen und Römern in der höheren
Baukunst, beim Tempel- und Häuserbauf zumeist angewandt, auch
die Meister der Hochrenaissance zeigen für dieses einfache Schema
eine Vorliebe.
Nochpmehr Reichthum und Zierlichkeit gewinnt der Quader
durch Profilirungen, d. h. durch die Anwendung jener
bereits bekannten in der Weberei, der Töpferei und der Tek-
tonik zuerst benützten dekorativen Typen, die seit Urzeiten
in der Baukunst galten und Struktur-symbolische Bedeutung ge-
wannen. Das Gewöhnlichste ist der Viertelsstab (die Echinus-
welle) als einfassendes Glied des Spiegels, das mit einem Stäb-
chen an die Fugenfläche anknüpft. Der Spiegel wird von allen
Seiten durch diesen Schmuck eingefasst, zugleich wird der Druck
und Gegendruck von oben und unten durch ihn auf den Spiegel
übertragen, wonach Sein Proül und seine bildnerische oder malerische
1 Auch die von Kyros erbauten Terrassen von Pasargadä sind in glattem
scharf umrändertem Quaderwerk, ganz gleich dem Unterbau der Parthenons zu
Athen. Sogar bemerkt man an beiden schon hie und da die Anwendung falscher-
Fugen. Nachher, unter der Dynastie des Darius, verliess man wieder den
griechischen Kanon und baute in grossen zwar lagerrechten aber ungleichen
Blöcken mit zum Theil schrägen Stossfugen und ohne Bossage (Persepolis).