Volltext: Keramik, Tektonik, Stereotomie, Metallotechnik für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst ; mit 239 in den Text gedr. Holzschn. und 5 farb. Tondrucktaf. (Bd. 2)

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Acht: 
Hauptstück. 
lich und von selbst (durch die Vermittlung des Eisenkleides) wie- 
der seinen uralten Einfluss, in der That eine sehr merkwürdige 
Erscheinung in der Kunstgeschichte. 
Das 16. Jahrhundert war zu sehr monumentalen Charakters, 
dass nicht die Kleinkünste, deren Blüthezeit das 15. Jahrhundert 
war, den überwiegenden Einfluss der nun selbständig gewordenen 
höheren Malerei und Skulptur, vornehmlich aber der Monumental- 
architektur zu ihrem Nachtheil erfahren mussten, wie dieses zu 
allen Zeiten der höchsten Kunstbildung der Fall war. Doch war 
diese Abhängigkeit ein natürliches Anlehnen an die Meisterwerke 
der höheren Kunst, kein hierarchischer Zwang, wie er während 
der Herrschaft des gothischen Stils auf alle Kleinkünste drückte. 
Bald auch erweckte sie das Streben nach mehr Freiheit und Ori- 
ginalität, auf welcher neuen Richtung viele Kleinkünstler die 
architektonischen Formen auf das Willkürlichste behandelten, 
alle Hülfsmittel des Schnitzwerkes in Holz, des Metallgusses, 
der ausgebildetstcn Technik überhaupt, bis aufs Aeusserste er- 
schöpften und fast keine formalen Schranken mehr anerkannten. 
S0 entstand der Barokstil mit seinen Risaliten, Kröpfen, Nischen, 
Kartuschen, Fruchtbehängen, Masken, Satyrhermen, Voluten, 
Muscheln u. s. w. Solcherweise gestaltet sich eine zweite Re- 
aktion der Kleinkünste und namentlich der Kunsttischlerei gegen 
das Uebergewicht, welches die Monumentalstruktur auf sie geübt 
hatte.  In Kurzem kommt es dahin, dass letztere wieder dem Ein- 
flüsse der Kleinkünste unterliegt, indem sie mit allem, was sie 
während ihrer rein dekorativen Anwendung in der Ebenisterei 
annahm, korrumpirt wird. Sogar das dem Gebiete der Kleinkünste 
ausschliesslich Angehörige wird von nun an willkürlich auf die 
monumentale Architektur übertragen. 
Dieser Einfluss wirkte besonders eigenthümlich auf die reizend 
willkürliche Spätrenaissancearchitektur des Nordens, wovon die 
älteren Theile des Heidelberger Schlosses vielleicht das schönste 
und reichste Beispielgeben; freilich eine Art Möbelarchitektur; 
und zwar so zu sagen eine kombinirte, nämlich spätgothischer 
Schreinerstil durchblickend durch die Renaissance mit ihren durch 
das Schnitzwerk und die eingelegte Arbeit phantastisch umgebil- 
deten antiken Formen. Während früher in Italien gothische For- 
men angenommen wurden, obschon die antiken Motive immer 
herrschten, fand jetzt das Umgekehrte in Frankreich, Deutschland
	        
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