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Achtes
Hauptstück.
die gothischen architektonischen Motive, die eine kurze Zeit hin-
durch (14. Jahrh.) vorherrschen, wieder aufgibt, zum Theil um
zu den Wahren Grundsätzen der struktiven Symbolik und den
Traditionen der Antike zurückzukehren, aber dieselben zugleich
in geistreichster, freiester und geschrnackvollster Behandlung mit
dem der Antike fehlenden Zauber der Romantik zu umgeben,
zum Theil freilich auch, um an ihre Stelle andere Scheinarchitek-
turen, im romantisch frei behandelten antiken Stile, zu setzen.
Wenn dieses Verfahren, wenn Säulen, antike Gebälke, Balustraden,
Nischen, Arkaden u. s. w., zur Dekoration an Schränken, Chorstüh-
len und Möbeln aller Art verwandt, prinzipiell nicht mehr gerecht-
fertigt sind als die ornamental benützten gothiscß. Strukturen,
wenn sogar eingeräumt werden muss, dass dabei noch weniger auf
die Zusammenstimmung der dekorativen Konstruktion mit der
wirklichen gesehen wurde, als diess in der gothischen Zeit der
Fall War, so bleibt es doch immer ein Fortschritt, dass nicht mehr
die nackte, sondern die schon symbolisirte Struktur rein deko-
rativen Zwecken dient.
Inimerhin mag diess als eine Verirrung oder als gothischer
Nachgeschmack der italienischen Frührenaissance gelten, doch zeigt
es sich zumeist nur an solchem Gesehränke, das zugleich WVand-
getafel bildet, und sozusagen mit der Architektur verwachsen ist,
vornehmlich in den Kapellen, Chören und Sakristeien dei- Kirchen;
seltener sind die streng architektonischen Formen im eigentlich
beweglichen Möbel, indem ihr dazu die dekorative Ausstattung
des Rahmen- und Füllwerlzs, des Gestützes und des Geschränkes
ausreicht. Wo sie architektonische Motive verfolgt, vermeidet sie
doch wenigstens spielende Nachahmungen wirklicher Bauwerke.
Es ist bezeichnend, dass diese vielmehr in den Ländern, in
denen der gothische Stil wirklich geherrscht hatte, besonders in
Deutschland und Frankreich beliebt wurden. Man vergleiche nur
die deutschen sogenannten Kunstschranke und die etwas weniger
gekünstelten "Cabinets", die in Frankreich unter den Valois ge-
macht wurden, mit früheren und gleichzeitigen YVerken der italie-
nischen Ebenisterei! (Siehe Holzschnitt S. 335.)
Der Ruf der italienischen Ebenisten, deren Namen bis auf
die minder bedeutenden, 1 deren Arbeiten und das Persönlich-
1 Herr Didron
und Künstler, die
Kunsthandwerker
die Nachwelt zu
Eitelkeit der italienischen
waren, ihren Namen auf
bespöttelt die
stets bemüht