'l'ektonik.
'l'echnisch-Ilistorisches.
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Dienste und Funktionen der Bestandtheile derselben zu versinn-
liehen; die Form an sich hat mit Kunst nichts mehr gemein, diese
bethätigt sich nur äusserlich, indem sie die scharfen Kanten
abfast oder auskehlt, die Zwischenräume der Strukturtheile mit
geschnitzten Brettern ausfüllt, oder etwa die unteren Ränder eines
Querholzes mit durchbrochenem Leistenwerk verbrämt. 1
Wenn somit das hier verwaltende Prinzip gewiss nicht ohne
Grund getadelt wird, so darf von der andern Seite um so bereit-
williger anerkannt werden wie jene mittelalterlichen Meister der
Holzschnitzerei ihren Stil als solchen trefflich trafen, nämlich inner-
halb der einmal genommenen Richtung; wie ihr Kiinstlersinn trotz
der stofflichen und struktiven Fesseln, in welchen er sich bewegte,
oft keeker schaltete als es ihm nach antiken Grundsätzen der
Verbildlichung gestattet gewesen wäre.
Dies gilt vornehmlich von dem profanen Hausrathe des
(gothischen) Mittelalters, von dem sich leider nicht gar Vieles er-
halten hat. Der Leser, der über das Gesagte an Darstellungen
solcher mittelalterlichen Geräthe sich eine eigene Anschauung zu
verschaffen wünscht, wird diesfalls auf die oben aufgeführten
Sammelwerke, vornehmlich aber auf das mit vortrefflichen Holz-
schnitten illustrirte Buch von Viollet Le Due hingewiesen.
Gothischer Kirchenhausrath.
Das Holzschnitzwerk tritt auch in der Kirche an die Stelle
der byzantinischen Werke der Empaistik und ihrer Nachahmungen
in Stein. Zwar umgibt sich das Gerüst des kirchlichen Hausraths
in Folge seiner Abhängigkeit von dem hierarchischen System der
gothischen Bauweise, das hier im Bereiche der Kirche selbst seine
ganze Strenge entwickelt, mit einer reichen architektonischen
Ausstattung, gewinnt es monumentalen Ausdruck; aber dem Prin-
gothischen Baukunst zwar häufig, aber nach ganz anderer mehr äusserlicher
Verbildlichung.
1 Ein Rückschritt in dieser Beziehung ist unverkennbar wenn man den
ältesten mittelalterlichen Hausrath mit dem der späteren Jahrhunderte ver-
gleißht- S0 Z- B- trägt jener alte skandinavische Kirchenstuhl noch ein ge-
wisses organisches Leben und eine Art Komfort in der leisen Sehweifung der
vorderen Ständer und der Rückenständer, sowie in der Aushöhlung der Arm-
stützen zur Schau. Derartige Lebenszeichen geben gothische Möbel selten
von sich.