'l'ekt0nik.
Technisch-Historisches.
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Aber dieser Art im Einzelnen unbestimmte Anklänge nicht mehr
vorhandener Schöne sind es gerade, die das freie Schaffen am
meisten anregen und zu neuen Erfindungen begeistern. Hätten
die Meister der Renaissance mit gleichem kritischen Geiste, wo-
mit jetzt die neugothische Schule ihre Richtung verfolgt, die an-
tiken Vorbilder studirt und wiederzugeben versucht, wir würden
keinen Bramante, keinen Michelangelo, selbst keinen Palladio
haben, welcher Letztere jedoch beiläufig gesagt unter allen das
antike Atrium am besten in seinem Wesen erkannte und nützte. 1
Die eigentliche Bautischlerei, d. h. die Fenster, Thüren u. s. w.
wurde bei den Alten zum Theil durch Vorhänge ersetzt. Ihre
Grundsätze waren im Ganzen die unsrigen, wie schon aus Vitruvs
bekannter Stelle über Thüren zu entnehmen ist. 2 Wir erkennen
dieses aber auch aus gemalten, plastisch in Stein und Stuck aus-
geführten und bronzenen Beispielen antiker Thore und Fenster,
die in allen ihren Theilen der Holzkonstruktion nachgebildet sind. 3
Die Thür mit ihrer Einfassung und Bekrönung, das ganze
Thyroma, wurde selbst an öffentlichen Denkmälern und Tem-
peln immer noch als opus intestinum, als inneres Bekleidung s-
werk behandelt; selbst wo es in monumentaler Weise ausgeführt
war, gab der alterthümliche Bronzebeschlag das Motiv dazu.
Die Abwesenheit steinerner Thürgexivände an allen dorischen
Tempeln und Spuren der Befestigung jetzt nicht mehr vorhandener
Bekleidungen (wie an den fünf Thoren der Propyläen) lassen
sehliessen, dass der strenge dorische Stil bei der alterthüm-
liehen bronzenen Thürbekleidung verharrte.
Jonische und korinthische Tempel dagegen zeigen zum Theil
noch wohlerhaltene steinere Thüreinfassungen. 4
der, Hirt, O. Müller, Marini einerseits und dagegen Newton, Perrault, Statico
und Becker, welche letztern ausser dem Cävlllll aedium noch ein besonderes
Atrium annehmen. Auf diese Frage und das Atriuin als Ganzes betrachtet wird
im Zweiten Theile zurückzukommen sein.
1 Sollte diese Schrift nur hie und da. in dem gedachten Sinne anregend
wirken und dem Kunstjünger durch Andeutungen einigen Anhalt zu eigenem
Schaffen bieten, so wäre der wichtigste Theil ihres Zweckes erreicht.
2 Vitr- IV- ö- Donaldson on Dorways.
3 Bd. 1. S. 367 ff.
4 Diese sind des Letzte, was die Steinmetamorphose einging und histo-
rische Bestätigungen der im ersten Bande S. 435 ff. enthaltenen Ansicht
über die Entstehung der lapidarischen Kunstformen. Siehe auch unter Stereo-
tomie an betreffender Stelle.
Semper, Stil I1. 36