Tektonik.
Allgemein-Fornnelles.
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Brunnenschalen und sonstigen Gefässen; löwengestaltete Krag-
steine auf lykischen Gräbern, die Behandlung der Dachrinnen-
mündungen in dem gedachten Sinne u. v. andere.)
Nicht mehr eurhythmisch sondern ungleiehförmig je nach ihrer
Lage und Stellung wird die Ordnung der Vorsprünge bei Ge-
schränken, die ein Oben und Unten, ein Vorn und Hinten haben,
an Möbeln, WVagen, Schiffen, auch an Arehitekturtheilen (Akro-
tcrien, Zinnen, Pinienzapfen, Ausläufer und Behänge); in ihrer
individuellen Behandlung oft von technischen Motiven abhängig.
(Vergl. S. 373 u. E. des ersten Bandes.)
Doch wenden wir uns nun schliesslich zu den zugleich dienen-
den Ausläufern, die in den Künsten noch wichtigere Bedeutung
haben. Man kann sie als wirklich dienende Theile behandeln
(dieses liebten die Barbaren und das Mittelalter), man kann sie
aber in cdlerer Auffassung des Grundgedankens durch den gleich-
sam absoluten Ausdruck von kaum in Anspruch genommener
Schwunghaftigkeit, Federkraft und organisch lebendigem Gegen-
wirken gegen die todte Last nur als äusserst dienstfähig be-
zeichnen, wie es die Griechen liebten. Beispiele die ägyptischen
Tragsteine an der Nische des Pavillons zu Medinet-Abu (Theben)
mit Sklavenleibern, die unter dem Drucke der Platte zu ächzen
scheinen; ähnliches an ägyptischen Möbeln; die persischen Gabel-
kapitäle; die gothischen Dienste unter den Gurtanfängen und sonst
als Konsolen, oft mit {igürlieh groteskem Ausdrucke ihres reellen
Dienstes. Dagegen verhüllter und vergeistigter Ausdruck der
gleichen Idee in der griechischen Kunst durch das frei sich an-
sehmiegende vegetabilische Voluten- und Rankenwerk, das
organische Blattprofil, die Kyma, Repräsentantin der leicht tragen-
den, sieh unter der Last bäumenden Meereswoge.
Horizontale Träger dieser Art erinnern in ihrer dynamischen
Thätigkeit an das stützende Dreieck mit seinem Angriffspunkte,
wovon bereits oben in der Anmerkung zu Seite 220 die Rede
war. Als horizontale Stützen der Hängeplatte des griechischen
Gebälkes hiessen sie Simmsträger oder Simmsfüsse (Geisipoden,
Geisiphoren).
Vertikale Ausläufer, denen eine dienende Thätigkeit beizu-
legen ist, nämlich Stützen und Füsse, sind theils von oben durch
die Belastung theils von unten durch die Unterlage, den Boden,
in reagirende Thätigkeit versetzt. Dieses und das Aufrechtfussende