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Hauptstück.
Siebenter;
Stabstrukturen gelangten im Geräthewesen wie in der Baukunst
zu hoher typisch-dekorativer Bedeutung; ihr symbolischer Sinn
ist zwar von ihrer struktiven Entstehung abzuleiten, sie werden
aber auch in freier Anwendung reine Typen und sinnbildliche
Träger gewisser formal-ästhetischer Begriffe. 1
Sie sind in" jedem Stile anerkannt und ihrer formalen Idee
nach dieselben, wenn auch sonst noch so verschieden; überall
sind sie die am meisten geschmückten Theile des Werkes und die
wahren Centralpunkte ornamentaler Ausstattung, weil der rich-
tige künstlerische Takt ihre hohe zwecklieh-struktive Bedeutung
und den reichhaltigen Sinn, den sie in sich tragen, erkennt oder
doch ahnt. Es ist daher nothwendig, auf diesen Sinn hier etwas
einzugehen.
Zuerst bilden sie Vorsprünge und zwar Vorsprünge, die
einem inneren struktiven Systeme, das in ihnen endigt
oder ausläuft, angehören, daher unverrückbare feste Vorsprünge.
Dieser Anklang eines inneren Zusammenhangs verstärkt den Aus-
druck z. B. eines die Deckplatte des Simmses tragenden Mutulen-
kranzes. Als Vorsprünge dieser Art hiessen sie bei den Griechen
Prokrossoi (oder auch einfach Krossoi), Probolai, lat. proceres.
Herodot sagt von einem ehernen Mischgeschirr, "die Prokrossoi
rings herum waren Greifsköpfef"
Wenn der Zusammenhang mit einem wirklichen oder nur ge-
dachten inneren Pegma den Vorsprüngen den Charakter unverrück-
barer fester Lage ertheilt, so dienen diese auch umgekehrt wieder
in den Künsten als Ergänzungsformen für ersteres, als Ausläufer,
Akroterien und Riehtungssymbole (Beispiele die Möbel auf S. 379
des ersten Bandes), oder , in eurhythmischer Kranzreihung,
gleichsam als Bordüre und als Vermittler einer in sieh abge-
schlossenen Form mit dem Aussen. Daher sind Krossoi, gleich-
1 Eine nüchterne und unkünstlerische Anschauung will derartige Symbole
mit streng struktiver Konsequenz angewandt wissen. oder ihr traditionelles
Vorkommen, z. B. an den antiken Gebälken, aus einem wirklichen (ehe.
maligen oder gegenwärtigen) Konstruktionssysteme der Dächer- und Balken-
(leeken der Tempel bis ins Einzelne folgerichtig erklären. Bötticher in seiner
Tektonik der Hellenen bekämpft diese hausbackene Anschanungsweise ohne
selbst ganz von ihr emanzipirt zu sein. Er widerlegt z. B. Vitruvs Theorie von
der Entstehung der Sparrenköpfe nur mit ihrem Mangel an Folgerichtigkeit.
(Tektonik Bd, II. S. 83.)
2 Herod. IV. 152.