Keramik.
Technisch-Historisches.
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Diese niedlichen und weichen Rokokopüppchen haben nichts
gemein mit den garstigen „Parianstt der heutigen Engländer;
sie rechtfertigen sich in ganz anderem Sinne aber fast in nicht
ininderem Grade, wie die scharfen und knappen, dem harten
Stein und durch dessen Vermittlung dem harten Porzellan ent-
sprechenden Formen; indem sie und was damit zusammenhängt:
die Malerei mit duftig florirten Kassettenemails ohne Körper, die
leichtfertige Behandlung der Grundformen, das laxe verschwommene
Pflanzenornament und andres, gewissermassen den Schwierigkeiten
des Stoffs und der Technik höflich und schmiegsam entgegen-
kommen.
Die Geschichte dieses Porzellans ist mit der Baugesehichte des
18. J ahrh. eng verwachsen, worauf noch keineswegs genügend geach-
tet worden ist: Das eigentliche Rococo ward geboren, nicht in Paris
oder Versailles, sondern in Dresden, dem Ursitze alles Zopfes.
Dort ward es unter dem allgemeinen Einfluss der laxen Sitten
der Zeit, aber auch unter dem speziellen der Porzellanfabrik, die
ungeheuer en vogue war, an dem üppigen Hofe Augusts des Staiv
ken und seines Nachfolgers gezogen und gepflegt, von dort her
durch eine sächsische Prinzessin und deren Porzellangeräth nach
Versailles verpflanzt, wo es seiner höchsten Kultur entgegenreifte.
Der Zwinger, das reichste und vollkommenste Specimen eines
noch naiven Rococostils (erbaut seit 1711 von dem genialen Pöpel-
mann), das (unfertige) japanische Palais, das bestimmt war, mit
chinesischen und sächsischen Porzellanen inkrustirt zu werden
(angefangen 1715, in seine jetzige Gestalt gebracht durch Pöpel-
Inann, Knöifler und Bott um 1729), das Schloss zu Pillnitz, schon
eine gcistlosere unmittelbare Nachahmung des chinesischen Zopfes,
die hervorragendsten, unter vielen anderen Denkmälern jener
Zeit, die der Residenz Sachsens ihr gegenwärtiges Antlitz er-
theilte, sind eben so viele Typen der verschiedenen Phasen des
Rococo und des Zopfes.
Kändler wagte sich auch an das Kolossale, Womit er aber
glücklicherweise kein Glück hatte. Die 36 Zoll hohe Statue des
h. Petrus und der Kopf der Kolossalreiterstatue des Königs Au-
gust, zu dessen noch vorhandenem Modelle er vier Jahre brauchte,
sind, nebSt Einigen grossen Bestien, 1 das Einzige, was von diesen
verwegenen Versuchen Kunde gibt.
1 Sie sollten das Treppenhaus des japanischen Palais schmücken.